Karriere

Prekäre Zustände befördern keine Kreativität

Wer sich nicht innerhalb von acht Jahren erfolgreich um eine Professur bewirbt, muss die Universität verlassen.
Wer sich nicht innerhalb von acht Jahren erfolgreich um eine Professur bewirbt, muss die Universität verlassen.Die Presse / Clemens Fabry
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Junge Forscherinnen und Forscher schlagen Alarm: Sie sehen nach der Novelle des Universitätsgesetzes noch weniger Perspektiven für eine Laufbahn in der Forschung. So verliere man die besten Köpfe, warnen sie.

Daniela Haarmann ist 34 Jahre alt. In den vergangenen zehn Jahren hat sie 300.000 Euro an Drittmitteln eingeworben. „Österreich hat in mich investiert, und ich stehe irgendwann statt vor der Karriereperspektive vor einem Berufsverbot“, sagt sie. Ihr Lebenslauf sei nur ein Beispiel dafür, wie es vielen jungen Forscherinnen und Forschern ginge.

Der Grund für das Dilemma ist die Novelle des Universitätsgesetzes, die seit Anfang Oktober in Kraft ist. Denn darin wird geregelt, dass die Höchstdauer mehrerer befristeter Arbeitsverträge auf in Summe acht Jahre begrenzt ist. Schon bisher durften diese für höchstens sechs Jahre abgeschlossen und nur zweimal verlängert werden. Und schon bisher sorgte die sogenannte Kettenvertragsregelung für Unmut beim wissenschaftlichen Nachwuchs, der nun weiter gewachsen sein dürfte. Daher präsentierte die Initiative „Diskurs. Das Wissenschaftsnetzwerk“, ein Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern, nun ihre Sicht der Dinge – und eine neue Studie.

Befragt wurden die Mitglieder des Elise-Richter-Netzwerks, hoch qualifizierte Postdoc-Forscherinnen also, die eine Universitätskarriere anstreben. 77 Personen beteiligten sich, sie quantifizierten die Dauer einer Exzellenzkarriere vom Doktorat bis zur unbefristeten Laufbahnstelle mit 12,4 Jahren. „Die nun gesetzlich vorgesehenen acht Jahre stehen dazu in krassem Widerspruch“, sagt Stefanie Widder, Sprecherin des Netzwerks und Forscherin an der Med-Uni Wien. Mit bitteren Folgen: Wer sich nicht innerhalb von acht Jahren erfolgreich um eine Professur bewirbt, muss die Universität verlassen.

Der Mythos des Wettbewerbs

„Welches Unternehmen steckt so viel Geld in die Ausbildung seiner Mitarbeiter und entlässt sie dann, weil sie nicht Chef geworden sind?“ fragt auch Philipp Sperner, derzeit am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften der Kunstuni Linz beschäftigt. 80 Prozent des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals sind befristet angestellt, zitiert er den Universitätsbericht des Wissenschaftsministeriums. Zwar sind hier etwa auch studentische Hilfskräfte miterfasst, die Dimension ist dennoch enorm. „Diese Prekarisierung bringt keine Innovationen hervor“, sagt Sperner.

Daher stellt Sozialwissenschaftler Stephan Pühringer, der an der Uni Linz ein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt koordiniert, die starke Wettbewerbsorientierung der Hochschulen infrage: An den Unis herrsche u. a. Konkurrenz um Ressourcen, Reputation und Studierende, das erzeuge großen Druck. Und dieser könne auch schaden. So sei es etwa ein Mythos, dass Wettbewerb Innovation fördere: „Die hohe Unsicherheit im akademischen Bereich ist keine gute Voraussetzung für Kreativität“, sagt er. Zudem würden sich Publikationsnetzwerke und Zitationskartelle bilden, um sich Stellen zu sichern.

Widder sieht vor allem Frauen benachteiligt, weil die neue Regelung nicht mehr berücksichtige, ob jemand Teilzeit oder Vollzeit arbeite: „Das konterkariert die Gleichstellung.“ Außerdem dauere der Ruf auf eine Professur in Österreich doppelt so lang wie im Ausland. Widder befürchtet daher, dass viele exzellente Köpfe den Wissenschaftsstandort verlassen oder überhaupt aus dem Wissenschaftssystem ausscheiden.

IN ZAHLEN

80Prozent des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Österreichs Unis sind befristet angestellt (Universitätsbericht 2020). In den Niederlanden liegt dieser Anteil bei 42 Prozent, in Norwegen bei 18 Prozent.

12,4
Jahre dauert es, bis das Karriereziel einer Professur erreicht ist – das Elise-Richter-Netzwerk hat dazu 77 Forscherinnen befragt (222 waren eingeladen). In der UG-Novelle sind dafür aktuell acht Jahre Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2021)

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