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Umstrittene Parlamentswahl in Hongkong

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Seit der Neuregelung werden nur noch 20 der 90 Sitze im Parlament direkt gewählt. Nur "Patrioten" dürfen ins Parlament.

Mit einer äußerst niedrigen Wahlbeteiligung bei der umstrittenen Parlamentswahl setzen die Menschen in Hongkong ein Zeichen gegen die Einschränkung der Demokratie durch China. Zur Halbzeit der Wahl am Sonntagnachmittag (Ortszeit) haben laut Behörden erst 19 Prozent ihre Stimme abgegeben. Bei der Stimmabgabe von Regierungschefin Carrie Lam protestierten Demokratie-Aktivisten gegen die umstrittene Wahlrechtsreform, mit der sich Peking die Kontrolle über die Wahl verschafft hat.

Bis 22.30 Uhr (15.30 Uhr MEZ) können die 4,5 Millionen Wahlberechtigten noch ihre Stimme abgeben. Ergebnisse werden bereits in der Nacht oder spätestens am Montagfrüh erwartet. 2016 hatte die Wahlbeteiligung zur Halbzeit noch bei 27 Prozent gelegen. Wegen der Wahlreform war bereits zuvor mit einer niedrigen Beteiligung gerechnet worden.

Seit der Neuregelung werden nur noch 20 der 90 Sitze im Hongkonger Parlament direkt gewählt. 40 Sitze im Legislativrat werden von einem Komitee vergeben, das aus Peking-treuen Repräsentanten besteht. Die restlichen 30 Sitze werden von Interessengruppen und Wirtschaftsverbänden bestimmt. Auch diese gelten als China-freundlich. Zudem wurden vor der Abstimmung alle Kandidaten auf ihren "Patriotismus" und ihre politische Loyalität gegenüber Peking hin überprüft.

Mit Werbung, Flugblättern, SMS und kostenlosem Nahverkehr versuchte die Stadtregierung, die Bürger zur Stimmabgabe zu bewegen. Auch große Privatunternehmen, darunter auch einige ausländische Firmen, forderten ihre Mitarbeiter Berichten zufolge zur Wahl auf. Weil die Grenze nach Festland-China nach wie vor geschlossen ist, wurden auch dort Wahllokale eingerichtet, um den dort lebenden Hongkongern die Stimmabgabe zu ermöglichen.

Die größten pro-demokratischen Parteien der Stadt haben keine Kandidaten aufgestellt. Dutzende prominente Oppositionelle - darunter viele, die bei den letzten Wahlen Sitze im Parlament gewonnen hatten - wurden wegen Verstößen gegen das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz inhaftiert, disqualifiziert oder sind ins Ausland geflohen. Die Behörden erließen zudem Haftbefehle gegen Aktivisten im Exil, die zum Boykott der Wahlen oder zur Abgabe ungültiger Stimmzettel aufgerufen hatten.

Seit Beginn des Jahres ist es in der ehemaligen britischen Kronkolonie untersagt, zum Boykott der Wahl oder zur Abgabe ungültiger Stimmen aufzurufen. Bisher wurden zehn Menschen auf Grundlage dieses Gesetzes verhaftet.

Obwohl ihnen Strafen drohen, demonstrierten am Sonntag drei Aktivisten am Wahllokal der Peking-treuen Regierungschefin Lam. Als Lam an ihrem Wahllokal eintraf, skandierten die Demonstranten der pro-demokratischen Partei Liga der Sozialdemokraten: "Ich will ein echtes allgemeines Wahlrecht".

Der Aktivist Chan Po-ying sagte vor Journalisten, Lam habe eine "Verbesserung des Wahlrechts" versprochen. Die Reform habe den Hongkongerinnen und Hongkongern aber "in Wirklichkeit das Wahlrecht entzogen".

Die junge Buchhalterin Loy sagte der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe nicht vor zu wählen. "Meine Stimme wird nichts bedeuten, denn letztendlich gewinnen die Leute aus Peking."

Der 65-jährige Daniel So hingegen gehörte zu den ersten, die vor einem Wahllokal in einem wohlhabenden Bezirk der Finanzmetropole standen. "Die jungen Leute sind nicht so sehr an dieser Wahl interessiert, weil sie von ausländischen Politikern und Medien in die Irre geführt werden", sagte er AFP. "China geht es jetzt so gut."

Seit der Einführung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes durch Peking im vergangenen Jahr gehen die Behörden in Hongkong hart gegen alle Aktivitäten vor, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Die Behörden haben deshalb hunderte Aktivisten verhaftet.

(APA/AFP)

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