Leitartikel

Covid unter dem Tannenbaum oder „Give peace a chance“

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Zu Weihnachten wird die Spaltung der Gesellschaft in vielen Familien sichtbar. Wir sollten gerade dieses Fest als Chance zur Versöhnung sehen.

Weihnachten, das Fest der Nächstenliebe, der Freude, der Hoffnung? Von wegen. Stellten früher die Hektik um Geschenkekauf und Christbaumaufputz, die Frage, wer, wann, wo gemeinsam feiert und die Diskussion um die richtige Menüfolge die Grundgedanken des christlichen Fests in den Hintergrund, so ist es heute zum zweiten Mal die Coronapandemie.

Zugegeben sollte das Zusammenkommen unter dem Christbaum heuer nicht mehr der gefährlichen Infektionslotterie gleichen, die es vergangenes Jahr war: Ein Großteil der Bevölkerung hat durch Impfung oder Infektion zumindest eine gewisse Immunität aufgebaut, das Testangebot ist deutlich besser. Zugleich aber ist die Sieben-Tage-Inzidenz höher als vor einem Jahr. Die neue, noch relativ unberechenbare Corona-Variante Omikron breitet sich mit rasantem Tempo quer über den Kontinent aus.



Haben wir kurz vor dem zweiten Weihnachtsfest im Zeichen einer weltweiten Gesundheitskrise mit dem Virus leben gelernt? Nein. Andernfalls befänden sich nicht gerade mehr als 1800 Menschen wegen Covid in den Spitälern. Und die Streitpunkte wären nicht im Prinzip noch immer die gleichen: Die Abklärung der Fragen, wer zum ersten, zweiten, dritten Mal oder gar nicht geimpft ist, wer sich zu Weihnachten zusätzlich testen will und wer nicht, ist nicht nur mühsam. Das Ausloten des Warum der eine Impfung und Testen für selbstverständlich hält, der andere eines oder beides ablehnt, zeigt auch auf, wie sich das Auseinanderdriften der Gesellschaft in den Familien fortsetzt. Schlimmstenfalls, wenn ideologische Gründe ein Beisammensein torpedieren.

Auf den Straßen wettert ein Gemisch aus rechten Gruppen, Verschwörungstheoretikern, Esoterikern und gewöhnlichen Demonstranten mit mehr oder weniger radikalen Mitteln gegen den „Impfzwang“. Zu Hause, rund um die Esstische der Österreicher, drohen die Diskussionen über den Umgang mit dem Virus Familien auseinanderzureißen. Ja, die Impfgegner sind in der Minderheit: Gut ein Viertel der Bevölkerung ist derzeit nicht geimpft. Einige Kommentatoren halten es daher überzogen, gleich von einer gesellschaftlichen Spaltung zu sprechen. Doch was anderes als eine Spaltung soll es sein, wenn das Coronavirus beginnt, einen Keil zwischen Familienmitglieder, Freunde und Bekannte zu treiben?

Die Politik spekuliert auf die Wirkung weihnachtlicher Gefühle, um die aufgeheizte Stimmung abzukühlen: „Die vergangenen Wochen haben unser gesellschaftliches Leben vor große Herausforderungen gestellt“, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Freitag. „Wir müssen das Weihnachtsfest im Familienrahmen ermöglichen.“ Zwar verlängerte die Regierung den Lockdown für Ungeimpfte, über die Weihnachtsfeiertage und zu Silvester dürfen Nichtgeimpfte aber ohne 2-G-Nachweis bis zu zehn Personen treffen.

Damit setzt die türkis-grüne Koalition auf Versöhnung und schafft mehr Freiräume, obwohl im Jänner wegen Omikron bereits der nächste Lockdown naht. Dass sich viele Ungeimpfte schon jetzt nicht an Ausgangsbeschränkungen halten und die Regeln sehr wahrscheinlich auch zu Weihnachten gebrochen hätten, sei dahingestellt. „Einen „Kontrapunkt zu den Spaltversuchen“ wollten auch die Tausenden senden, die am Sonntag auf Aufruf von Initiator Daniel Landau in Gedenken an die 13.000 Coronatoten in Österreich und zur Unterstützung der Ärzteschaft und Pflege am Wiener Ring eine Lichterkette bildeten.

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