Der ehemalige Studentenführer Boric gewann die Präsidentenwahl in Chile deutlich. Viel Spielraum hat er nicht. Aus COMYAN
„Es werden sich breite Wege öffnen, über die freie Männer und Frauen schreiten können, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen.“ Dass Chiles künftiger Präsident Gabriel Boric ausgerechnet dieses Zitat nach seinem Wahlsieg Hunderttausenden auf Santiagos Prachtstraße La Alameda zurief, war alles andere als ein Zufall. Denn dieser Satz war der legendäre Schlussappell in der letzten Radioansprache des linken Präsidenten Salvador Allende kurz vor dessen immer noch nicht voll aufgeklärtem Tod im Präsidentenpalast am 11. September 1973.
Am Sonntag wurde der frühere Studentenführer mit mehr als zehn Prozentpunkten Vorsprung zu Chiles neuem Präsidenten gewählt. Er bekam mehr Stimmen als alle Bewerber vor ihm, seitdem das Land 2011 die Wahlpflicht aufgehoben hat. Seinen Vorsprung gegenüber dem ultrakonservativen Kandidaten José Antonio Kast erklären politische Analysten mit der erhöhten Wahlbeteiligung. Wenn Boric im März sein Amt antritt, wird er gerade einmal 36 Jahre alt sein. Er ist damit der jüngste Präsident der Geschichte Chiles. Und der am weitesten links orientierte seit dem Putsch der Pinochet-Militärs gegen Salvador Allende.
Steht Chile nun vor einer historischen Rolle rückwärts? Bedeutet die deutliche Mehrheit das Ende des erfolgreichsten Wohlstandsmodells Lateinamerikas?