Islamische Monokultur

Laizismus war gestern: Ankaras Außenminister will die Religion stärken. Freilich nur seine.

Wenn er sein verbindlichstes Lächeln aufsetzt und die Türken in Österreich auffordert, doch bitte ordentlich Deutsch zu lernen, dann könnte man dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoğlu den rationalen Versöhner zwischen den Kulturen glatt abnehmen.

Doch man nennt Davutoğlu nicht umsonst den „Kissinger vom Bosporus“. Und der Kissinger vom Potomac verstand sich eben nicht nur auf Entspannungspolitik, er konnte auch knallhart sein. Wie sein eifriger Schüler. Dessen jüngste Aussagen haben gar nichts Versöhnliches mehr: Er erwartet durch die Annäherung der Türkei an Europa eine stärkere Zuwanderung von Nichtmuslimen. Davon fühlt er sich bedroht, denn er redet als Konsequenz der Stärkung eines „monokulturellen, nationalstaatlichen Islam“ das Wort.

Wie bitte? Hat nicht derselbe Davutoğlu kürzlich gefordert, Europa müsse multikultureller werden? Ist nicht das Mantra seiner Regierung, die EU dürfe kein „christlicher Klub“ sein? Soll sie auch nicht. Ebenso wenig wie die Türkei ein islamischer. Man braucht zwar nicht hinter jeder Erhöhung der Alkoholsteuer (was per se ja nicht negativ ist) eine schleichende Islamisierung zu sehen. Aber im Licht des Laizismus, der in der Türkei immerhin Verfassungsrang hat, geben Davutoğlus Einlassungen den schärfsten Kritikern der Regierung Erdoğan recht.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2010)

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