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Deutsche SPD-Politikerin Giffey ist neue Bürgermeisterin von Berlin

Franziska Giffey zieht - begrüßt von der Berliner Rauchfangkehrer-Gilde - ins Rathaus der deutschen Haputstadt ein.
Franziska Giffey zieht - begrüßt von der Berliner Rauchfangkehrer-Gilde - ins Rathaus der deutschen Haputstadt ein.(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)
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Die frühere Bundesfamilienministerin erreichte bei der Wahl im Berliner Senat am Dienstag im ersten Wahlgang die nötigen Stimmen. Die rot-rot-grüne Koalition will nun die „Zukunftshauptstadt“ formen.

Sie hat es geschafft: Nach einem Jahr voller persönlicher Höhen und Tiefen ist Franziska Giffey am Dienstag zur neuen Regierenden Bürgermeisterin von Berlin gewählt worden. Die 43-Jährige - SPD-Landesvorsitzende, Ex-Bundesfamilienministerin und seit einer Plagiatsaffäre ohne Doktortitel - steht damit an der Spitze einer Dreierkoalition mit Grünen und Linken. Die regiert in der Hauptstadt schon seit 2016 und will es nun noch einmal zusammen versuchen.

Laut Giffey soll es ein Neustart werden. Tatsächlich sind von den zehn Senatsmitgliedern aus der vergangenen rot-rot-grünen Landesregierung nur noch zwei dabei - die neuen Gesichter sind in der Mehrzahl. Die Opposition hat Giffey allerdings bereits vorgeworfen, auf "weiter so" und nicht auf Neubeginn zu setzen.

Der lange Weg zur „Zukunftshauptstadt"

Dass etliches anders und möglichst besser werden sollte, sehen auch viele Berlinerinnen und Berliner so. So mancher in der Hauptstadt will nicht mehr wochenlang auf einen Termin im Bürgeramt warten, wünscht sich für seine Kinder saubere Toiletten in den Schulen, eine bezahlbare Wohnung und gerade außerhalb der Innenstadtbezirke bessere Angebote im ÖPNV. Das neue rot-grün-rote Dreierbündnis hat nach fünfwöchigen Koalitionsverhandlungen bereits vereinbart, solche Probleme anzugehen. Berlin soll nach dem Willen von Rot-Grün-Rot sogar "Zukunftshauptstadt" werden.

Giffey hat als Ziel ausgegeben, 20.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Der neue Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Andreas Geisel (SPD), soll sich darum kümmern, dass es nicht bei Ankündigungen bleibt. Außerdem hat Rot-Grün-Rot vereinbart, mehr Polizisten einzustellen, mit mehr Videoüberwachung für mehr Sicherheit zu sorgen und die Berliner Verwaltung, ständiger Anlass für Frust und Klagen, zu modernisieren.

Öffentlicher Verkehr soll ausgebaut werden

Auch in der Verkehrspolitik soll es vorangehen - deutlich schneller als bisher. Rot-Grün-Rot, kurz RGR, will die Verlängerung mehrerer U-Bahn-Linien in Angriff nehmen. Es soll mehr E-Busse, neue Tramlinien, bessere Verbindungen ins Umland und einen dichteren Takt bei Bussen und Bahnen geben. Das könnte, wenn mehr Menschen in Berlin vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, auch dem Klimaschutz dienen.

Schon in den vergangenen Jahren hat der Senat erheblich in neue Busse und U-Bahn-Züge investiert und viele Planungen für neue Rad- oder Radschnellwege angeschoben. Allerdings ist vieles davon noch nicht umgesetzt. Darum soll sich vor allem die stellvertretende Regierungschefin und neue Senatorin für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz, Bettina Jarasch (Grüne), kümmern.

Enteignung von Immobilienfirmen aufgeschoben

Fest steht bereits, dass sich Rot-Grün-Rot auf den ein oder anderen Stresstest einstellen muss. Der eine ist die Entscheidung über die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin. Fast 60 Prozent der Wähler hatten sich bei der Abstimmung am 26. September dafür ausgesprochen. Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid auf den Weg gebracht hat, verspricht sich davon, den Anstieg der Mieten zu bremsen, der in den vergangenen Jahren in Berlin deutlich höher war als im Bundesdurchschnitt.

Die Linke hat die Initiative unterstützt, die Grünen sind skeptisch, die SPD hat im Wahlkampf klar gegen Enteignungen Position bezogen. Bei den Koalitionsverhandlungen hat das Thema viel Zeit gekostet. Die drei Parteien vereinbarten, Anfang 2022 eine Expertenkommission einzusetzen. Sie soll Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksentscheids prüfen und innerhalb eines Jahres eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen an den Senat erarbeiten. Entscheiden will der Senat dann erst 2023.

Das Thema birgt einiges Konfliktpotenzial. Das gelte auch für die Frage, welchen Kurs die SPD im Stadtentwicklungsressort einschlage, das sie von den Linken übernimmt, sagte der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) lehrt, zum Start des neuen Senats. "Das Problem ist, dass das beides Themen sind, die für die Linken Identitätsfragen darstellen. Das sind neuralgische Punkte."

Die SPD setzt, wie von ihrer Landesvorsitzenden Giffey angekündigt, auf deutlich mehr Neubau, nicht zuletzt gemeinsam mit privaten Wohnungsbauunternehmen. Bei den Linken gebe es die Befürchtung, dass es beim Wohnungsbau stärker in Richtung Neoliberalismus gehe, sagte Bröchler. "Und da werden die Linken ganz genau hinschauen." Für den neuen Senat werde das ein Balanceakt.

"Heute beginnt RGR Staffel 2", sagte die neue Verkehrssenatorin Jarasch nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Dienstag. Ob RGR das Zeug zur Erfolgsserie hat, muss sich zeigen - bis dann eventuell eine weitere Staffel geplant wird, sind noch fünf Jahre Zeit.

Berlin will für Omikron-Welle gewappnet sein

Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss indes als gesetzliche Grundlage für weitere Corona-Maßnahmen eine epidemische Lage. Für einen entsprechenden Antrag des Senats stimmten am Dienstag die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken sowie die CDU. Die AfD votierte dagegen, die FDP enthielt sich. Der Senat kann nun zum Beispiel neue Beschränkungen beschließen, falls die Infektionslage das erfordert.

Die neue Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hatte zuvor im Plenum deutlich gemacht, dass damit wegen der Omikron-Variante des Coronavirus durchaus zu rechnen ist - womöglich noch vor Weihnachten. "Omikron verändert fast alles, was wir über die Pandemie bisher gehört haben", sagte sie.

Juristisches Nachspiel für Chaos am Wahltag

Nach teils großen Problemen bei den Wahlen in Berlin legten unterdessen mehr als 30 Privatleute, Behörden, Parteien sowie Kandidatinnen und Kandidaten Einspruch ein. Sie rügen demnach etwa die lange Wartezeit in einigen Wahllokalen, das Fehlen von Stimmzetteln oder falsche Stimmzettel und dass auch nach 18 Uhr noch gewählt wurde. Wie der Gerichtshof am Dienstag mitteilte, wird nun eine umfassende Prüfung vorbereitet. Erst danach könne über die Einsprüche entschieden werden.

Die Probleme in vielen Wahllokalen in Berlin hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Dazu zählten Verzögerungen beim Zusenden von Briefwahlunterlagen, falsche oder fehlende Stimmzettel, eine zeitweise Unterbrechung des Wahlgeschehens in Lokalen oder lange Schlangen vor Wahllokalen. Mehrere hundert Wahllokale hatten länger geöffnet als üblich.

Die Frist für Einsprüche war Ende November abgelaufen. Einspruch kam auch von der Landeswahlleiterin und von der Senatsinnenverwaltung.

(APA/dpa)

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