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Omikron: Deutschland setzt drastische Schritte noch vor Silvester

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Bildmitte) im Gespräch mit RKI-Chef Lothar Wieler (re.).
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Bildmitte) im Gespräch mit RKI-Chef Lothar Wieler (re.).(c) APA/dpa/Bernd von Jutrczenka (Bernd von Jutrczenka)
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Kontaktbeschränkungen gelten ab 28. Dezember auch für Geimpfte und Genesene. Es sei nicht die Zeit für große Partys, sagt Kanzler Scholz. Großveranstaltungen müssen auf Zuseher verzichten.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer haben sich auf neue Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie geeinigt, die nach Weihnachten in Kraft treten sollen. Ab 28. Dezember greifen erweiterte Kontaktbeschränkungen, sagte Scholz am Dienstagabend in Berlin. So werden private Zusammenkünfte von Geimpften und Genesenen auf maximal zehn Menschen begrenzt. Für Ungeimpfte sollten die bestehenden strengeren Regeln weiter gelten.

Großveranstaltungen wie Spiele der Fußball-Bundesliga oder in anderen Sportarten dürfen ab 28. Dezember nur noch ohne Publikum stattfinden. Für Kultur- und Freizeiteinrichtungen und weite Teile des Einzelhandels gilt die 2G-Regel weiter, man muss also eine Impfung oder die Genesung von einer Covid-19-Erkrankung nachweisen. Auch ein zusätzlicher Test kann vorgeschrieben werden. Spätestens ab demselben Datum sollen überall Clubs und Diskotheken in Innenräumen schließen und Tanzveranstaltungen verboten werden.

Den Zeitpunkt erst nach Weihnachten habe die Spitzenrunde bewusst gewählt, erklärte Scholz. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass Weihnachten und Ostern auch wegen der Verhaltensweise der Bürger keine großen Treiber der Pandemie gewesen seien.

Deutlich warnte Scholz aber vor großen Silvesterpartys. Die Beschränkung von Treffen auf maximal zehn Personen gelte natürlich "insbesondere im Hinblick auf Silvester. Es ist deshalb derzeit nicht mehr die Zeit für Partys und gesellige Abende in großer Runde."

Scholz wirbt für Booster-Impfung

Scholz sagte, Deutschland bekomme die von der Delta-Variante geprägte vierte Corona-Welle allmählich in den Griff. Mit Blick auf die sich ausbreitende Omikron-Variante ergänzte er aber, "es droht nun bereits die Welle fünf." Deshalb bleibe "impfen, impfen, impfen" das Ziel der deutschen Bundesregierung. Bis Ende Jänner sollten daher 30 Millionen Booster-Impfungen verabreicht werden. "Wir müssen uns schützen und auch unsere Angehörigen."

Scholz warnte ausdrücklich davor, bei der Drittimpfung auf einen an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff zu warten. "Die Booster-Impfung hilft jetzt sofort", betonte Scholz. Der Schutz vor einer Infektion steige für zweifach Geimpfte mit der Auffrischungsimpfung in kürzester Zeit. Darüber hinaus will Scholz auch im Fall einer günstigen Pandemie-Entwicklung am Vorhaben einer allgemeinen Impfpflicht festhalten.

Zudem zeigte er sich zuversichtlich, dass sich viele Ungeimpfte noch von einer Impfung überzeugen lassen werden. "Von denjenigen, die nicht geimpft sind, sind viele noch zu überzeugen - und überzeugen sich gerade. Ich teile den Pessimismus nicht, der sich gelegentlich verbreitet."

Nächstes Treffen am 7. Jänner

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte, Bund und Länder bräuchten eine klare Strategie für die nächsten Wochen. Dies solle bei einem Treffen zu Jahresbeginn festgelegt werden. Am 7. Jänner wollen Scholz und die Ministerpräsidenten das nächste Mal zusammenkommen. Die deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Sachsen distanzierten sich unterdessen von den Beschlüssen. Diese seien "nicht weitgehend genug", ließen die beiden Länder in einer Protokollnotiz festhalten.

Virologe Hendrik Streeck, Mitglied des Expertenrates der deutschen Bundesregierung, hält die Beschlüsse im Gegensatz dazu im Moment für ausreichend. Streeck wies am Dienstagabend im ZDF darauf hin, dass die Inzidenzen in Deutschland - anders als in anderen Ländern - zuletzt immer noch gefallen seien. Deshalb sei es auch gerechtfertigt, dass die geplanten Kontaktbeschränkungen erst nach Weihnachten greifen sollten - und nicht schon während der Feiertage.

RKI ist vorgeprescht

In der Bund-Länder-Schaltung zur gab es unterdessen Kritik an der Kommunikation des Robert Koch-Instituts (RKI). Die Behörde hatte kurz vor den Beratungen wegen der Omikron-Gefahr sofortige maximale Kontaktbeschränkungen gefordert. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte in der Schaltung, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung sei aber "nicht abgestimmt" gewesen. Das dürfe nicht passieren.

Das RKI hatte gefordert, die Beschränkungen sollten "sofort beginnen" und bis zunächst Mitte Jänner gelten, wie das RKI am Dienstag auf Twitter schrieb. Zudem brauche es "maximale infektionspräventive Maßnahmen" und eine "maximale Geschwindigkeit bei der Impfung der Bevölkerung". Reisen sollten auf das unbedingt Notwendige reduziert werden.

Zum Verständnis der Maßnahmen brauche es intensive Begleitkommunikation. Das RKI empfiehlt in einem Strategiepapier unter anderem, Restaurants sofort zu schließen und die Weihnachtsferien für Kitas und Schulen zu verlängern.

„Beginnende pandemische Welle"

Das RKI sprach mit Blick auf die neue Omikron-Variante des Coronavirus von einer "aktuell in Deutschland beginnenden pandemischen Welle". Auch wenn diese Welle hierzulande noch am Anfang stehe, zeige der Blick ins Ausland, "dass durch diese Variante mit einer Infektionswelle von bisher noch nicht beobachteter Dynamik gerechnet werden muss".

Erste Analysen deuteten trotz noch vorhandener Unsicherheiten darauf hin, dass Omikron bereits Anfang Jänner 2022 die Mehrzahl der Infektionsfälle in Deutschland ausmachen könne, teilte das RKI mit. Es könnten mehrere Zehntausend Infektionsfälle durch Omikron täglich sein. Unter den derzeitigen Bedingungen liege die Verdopplungszeit in Deutschland bei etwa drei Tagen.

"Die Konzepte 2G/3G sollten unter Berücksichtigung der Omikron-Variante geschärft werden, da von einer erheblichen Transmission dieser Variante auch durch Genesene und vollständig Geimpfte ohne Auffrischimpfung ausgegangen werden muss", schreibt das RKI.

Intensiv-Belegungen noch auf hohem Niveau

Die Neuerkrankungszahlen der vierten Welle durch die Delta-Variante seien zwar rückläufig, schreibt das RKI. Dennoch lägen die Krankenhausaufnahmen und die Auslastung der Intensivstationen noch auf sehr hohem Niveau. "Sollte die Dynamik der bevorstehenden Omikron-Welle nicht gebremst werden, ist aufgrund der in kurzer Zeit zu erwartenden hohen Fallzahlen mit einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen in Deutschland zu rechnen." Auch mit einer darüber hinausgehenden Beeinträchtigung der kritischen Versorgungsstrukturen - beispielsweise Transport- und Produktionsketten, Energie, Polizei, Feuerwehr - müsse gerechnet werden.

Der weitere Verlauf der epidemiologischen Situation in den nächsten Wochen hänge vom Verhalten der Bevölkerung an den Festtagen und der nicht vorhersehbaren Stärke der Grippe-Zirkulation als weiterem Erreger mit epidemischem Potenzial ab.

Booster-Impfung schon nach drei Monaten

Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt unterdessen Auffrischimpfungen wegen der Omikron-Variante des Coronavirus bereits nach mindestens drei statt nach sechs Monaten. Die Empfehlung zum verkürzten Impfabstand gelte ab sofort für Erwachsene, teilte das Gremium am Dienstag mit. In Österreich ist die Booster-Impfung bereits vier Monate nach dem Zweitstich möglich.

Wird sie früher verabreicht, wird sie hierzulande nicht als 3. Impfung im Grünen Pass gewertet. Die Stiko zielt mit der Freigabe drei Monate nach der Zweitimpfung auf einen verbesserten Schutz vor schweren, durch Omikron hervorgerufenen Erkrankungen in der Bevölkerung und auf eine verminderte Übertragung der Variante ab. Es sei damit zu rechnen, dass Omikron das Infektionsgeschehen hierzulande "innerhalb kürzester Zeit" bestimmen werde.

Ältere und vorerkrankte Menschen sollen laut Stiko wegen ihres höheren Covid-19-Risikos die Spritze bevorzugt erhalten. Die beiden mRNA-Impfstoffe, die zum Boostern verwendet werden (Comirnaty von Biontech/Pfizer und Spikevax von Moderna), seien "hinsichtlich ihrer Wirksamkeit völlig gleichwertig".

(APA/dpa/AFP)

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