Jahresrückblick

(Nicht) schuldig: Die politischen Prozesse des Jahres 2021

Heinz-Christian Strache vor Gericht.
Heinz-Christian Strache vor Gericht.APA/GEORG HOCHMUTH
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Was verbindet Heinz-Christian Strache, Christian Pilnacek und Karl-Heinz Grasser? Ihnen allen wurde im Straflandesgericht Wien der Prozess gemacht. Jeweils vor einer Richterin pochten sie auf ihre Unschuld. Und: Sie warten.

2,5-G galt im Jahr 2021 nicht nur in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in Österreich, sondern auch in den Gerichtssälen der Republik. Allerdings: in etwas abgewandelter Form. Tatsächlich fanden dort zwei Prozesse, deren Inhalte die höchsten Ebenen der heimischen Politik betrafen respektive betreffen, ihren Anfang und ihr (nicht rechtskräftiges) Ende. Ein dritter, der eigentlich schon 2020 als (zumindest erstinstanzlich) abgeschlossen galt, hing hingegen zwölf Monate lang in der Luft. Tendenz weiter schwebend.

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20210827 Ibiza Video - Continued Trial against former FPOE chairman Strache for bribery VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 27: Fo(c) imago

Bestechlichkeit und Bestechung lauteten die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erhobenen Vorwürfe gegen den früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und den Eigentümer der Privatklinik Währing, Walter Grubmüller. Zutreffend, befand Richterin Claudia Moravec-Loidolt am 27. August 2021 im Wiener Landesgericht für Strafsachen – und verurteilte beide zu bedingten Freiheitsstrafen. Konkret fasste Strache 15 Monate aus, Grubmüller um drei weniger. Beide kündigten an, „in volle Berufung zu gehen“, weshalb das Urteil keine Rechtskraft hat.

„Korruption ist ein Heimlichkeitsdelikt“, erläuterte Richterin Moravec-Loidolt in der Urteilsbegründung. Man agiere im Verborgenen, um sich unrechtmäßige Vorteile zu beschaffen. Umgelegt auf den konkreten Fall bedeute das: Nachdem sich Grubmüller jahrelang vergeblich bemüht hatte, mit seiner Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds Prikraf aufgenommen zu werden, wandte er sich mit seinem Anliegen an seinen Freund Strache und überwies der FPÖ einmal 2000 und einmal 10.000 Euro. Einmal, um den damaligen Parteichef zum Tätigwerden zu „motivieren“, das andere Mal, um sich für das Einbringen eines entsprechenden Initiativantrags – eine Maßnahme, die am Beginn eines Gesetzwerdungsprozesses steht – erkenntlich zu zeigen.

Stimmt nicht, konterten Strache und Grubmüller, für die nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, während der sechs Verhandlungstage vehement. Letzterer betonte, der FPÖ aus Frust über die SPÖ gespendet zu haben. Ersterer beteuerte: „Ich habe in meinem Leben noch nie einen Vorteil erhalten“ – ein rechtskräftiges Urteil auch noch nicht. Ob letzteres so bleibt, wird sich 2022 zeigen.

Christian Pilnacek vor seinem erstinstanzlichen Freispruch im Großen Schwurgerichtssaal.
Christian Pilnacek vor seinem erstinstanzlichen Freispruch im Großen Schwurgerichtssaal. APA/HERBERT NEUBAUER

Ebenfalls ins nächste Jahr wandert die rechtskräftige Klärung der Frage, ob der suspendierte Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, seine Macht missbraucht und Geheimnisse verraten hat. Richterin Julia Matiasch meinte dazu am 3. November: Ja, hat er – zu verurteilen sei er deswegen aber nicht. Wie das?

Nun: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte Pilnacek vorgeworfen, gegen das in § 310 StGB festgelegte Amtsgeheimnis verstoßen, sich „der Instrumentalisierung von Journalismus“ und damit der Korruption schuldig gemacht zu haben. Ausgangspunkt ist eine Anzeige der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen eine Redakteurin der „Presse“ aufgrund eines kritischen Berichts über die Arbeit der Korruptionsermittler. Die Anzeige wurde abgewiesen, Pilnacek aber alsbald verdächtigt, einer Redakteurin des „Kurier" davon erzählt und ergänzt zu haben, dass kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Woher er das wusste? Von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, so der Verdacht.

Nein, beharrte Pilnacek im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Doch, konterten die Staatsanwälte – und legten Berufung gegen den Freispruch ein.

Wartet auf das (nicht rechtskräftige) Urteil: Karl-Heinz Grasser.
Wartet auf das (nicht rechtskräftige) Urteil: Karl-Heinz Grasser. APA/HELMUT FOHRINGER

Vor mehr als einem Jahr, am 4. Dezember 2020, verkündete Richterin Marion Hohenecker das lang erwartete, erstinstanzliche und damit nicht rechtskräftige Urteil im größten Korruptionsprozess der österreichischen Justizgeschichte: Karl-Heinz Grasser wurde in Zusammenhang mit den Affären „Buwog“ und „Terminal Tower“ zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Begründung: Untreue, Fälschung von Beweismitteln und Geschenkannahme durch Beamte. Der ehemalige Finanzminister reagierte darauf „traurig, schockiert und erschrocken“ und kündigte an, umgehend Berufung und Nichtigkeitsbeschwede einzulegen.

Ganz so rasch ging das dann aber doch nicht: Bis heute wurde Grasser und seinen Mitangeklagten nämlich kein schriftliches Urteil zugestellt. Denn: Die Richterin schreibt noch „intensiv“ daran, heißt es aus dem Grauen Haus. Um diesen Prozess zu beschleunigen, brachte Grassers Anwalt Manfred Ainedter im Herbst einen Fristsetzungsantrag ein, der vom Oberlandesgericht Wien jedoch abgelehnt wurde. Im Winter wiederholten sie das Vorgehen. Seither wird gewartet.

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Zum Jahresrückblick der "Presse"-Redaktion

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