Nachruf

Der große Biologe Edward O. Wilson ist tot

Edward O. Wilson ist mit 92 Jahren in Burlington, Massachusetts, gestorben.
Edward O. Wilson ist mit 92 Jahren in Burlington, Massachusetts, gestorben.APA/AFP/GETTY IMAGES/CINDY ORD
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Wie biologisch geprägt ist das menschliche Verhalten? Die Debatte läuft bis heute. Der bedeutende US-Biologe Edward O. Wilson hat sie 1975 mit seinem Buch „Sociobiology“ angeheizt. Erinnerung an einen Forscher, der den Disput liebte und die Natur unter Schutz stellen wollte.

Ein bedeutender Ameisenforscher sei gestorben, hieß es in den ersten Todesmeldungen. Das trifft zu, unterspielt aber die weit über Zoologie hinausreichende Bedeutung von Edward Osborne Wilson, weithin bekannt als E. O. Wilson. Sein 1975 erschienenes Buch „Sociobiology: The New Synthesis“ hat eine Debatte entzündet, die bis heute glüht. Eine Debatte, die schon zu Beginn durchaus wild geführt wurde. So wurde Wilson bei Demonstrationen in Harvard, wo er damals lehrte, als „rechtsradikaler Prophet des Patriarchats“ verunglimpft, und am Rand der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science, wo er 1978 sprechen sollte, riefen seine Gegner: „Rassist Wilson, du bleibst uns nicht verborgen, du hältst es mit den Völkermorden.“ Bei einer Podiumsdiskussion in Washington wurde er gar mit Wasser beschüttet.

Schuld war das letzte, das 27. Kapitel seiner „Sociobiology“, in dem er sich stolz in Darwins Spuren stellte, indem er sich dessen berühmten Satz vornahm: „Light will fall on the origin of man and his history.“ In diesem Sinn behandelte Wilson den Homo sapiens als eine Tierart wie andere und postulierte, dass sich auch das menschliche Verhalten aus der Evolution ableiten lasse. Nur teilweise freilich: Wilson betonte die Bedeutung der Kultur, der Gesellschaft, bezweifelte explizit, dass die Sozialwissenschaften je vollständig „biologicized“ (biologisiert) werden können. Dass Menschen keine Ameisen sind, war ihm klar. Und wenn er sagte, dass es „ein Gen für Homosexualität“ geben könnte, meinte er nicht, dass diese nur genetisch determiniert sei. Minderheitenfeindlich war er nicht, rechtsradikal schon gar nicht. Allerdings hatte es manchmal den Anschein, dass er gern provoziere. „Er hat etwas von einem intellektuellen Granatenwerfer“, sagte etwa der (mit ihm nur ideell verwandte) Evolutionsbiologe David Sloan Wilson.

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