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"Kitz": So plump geht es nicht einmal in Kitzbühel zu

Valerie Huber als It-Girl in "Kitz".
Valerie Huber als It-Girl in "Kitz".(c) Walter Wehner / Netflix
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Die Netflix-Serie „Kitz“ sucht Melodramatik im Nobeltourismusmilieu. Hölzern sind dabei nicht nur die Hütten.

Willkommen im „Aspen der Alpen“, verheißt eine betont coole Stimme am Anfang der neuen Netflix-Serie „Kitz“.

Dass innerhalb der Alpen wahrscheinlich noch nie jemand Kitzbühel auf diese Art mit dem beliebtesten Skigebiet der USA verglichen hat, tut freilich nichts zur Sache: Der Wintersportort ist hier schließlich reine Kulisse für einen Hochglanzthriller im Milieu weltfremder jugendlicher Partybonzen. Wo genau deren Chalets verortet sind, ist ihnen wohl ziemlich wurscht, solang es dort Instagram-taugliche Schneelandschaften gibt, Zugang zu Designerdrogen – und Personal, das am Ende den Dreck wegräumt.

Auffällig ist, dass sich auch die deutschen Serienurheber in keiner Sekunde für authentisches Lokalkolorit zu interessieren scheinen. Kern der Handlung sind dramatisch aufgeladene Konflikte zwischen den Bewohnern eines Bergstädtchens und den reichen Gästen, die jeden Winter dort einfallen. Erzählt wird das mit größtmöglicher Klischeedichte und Beliebigkeit. Das beginnt bei der Sprache: Ob Tiroler Mittelstand oder Münchner High Society, alle Figuren reden Bundesdeutsch mit grotesken englischen Einsprengseln. Sie treffen sich „beim Bonfire“, verabreden sich zu „anonymem Fun“, trinken ihren Pet Nat „really nice and dirty“ und sind überaus „fein damit“. Überhaupt: Ist es nicht „der fucking Wahnsinn“, dass sie hier alle wieder „back together“ sind?

Luxuskinder gegen Lammfellwesten

Gut, dass man auch so erkennt, wer hier zu den Einheimischen gehört. Die Kitzbühler, das sind ehrliche, erdige Bauern in Lammfellwesten (freilich ohne Melkmaschine), herzliche Skilehrer und emsige Kellnerinnen wie Lisi (Sofie Eifertinger) – die sich mit Kalkül in die Partyrunde der wohlstandsverwahrlosten Luxuskinder um It-Girl Vanessa (Valerie Huber) hineindrängt. Nicht, um auch einen Schluck aus der 8000-Euro-Mezcal-Flasche nehmen zu können, sondern um ihren toten Zwillingsbruder zu rächen, der ein Jahr zuvor nach einer unerwiderten Romanze mit Vanessa im Auto von der verschneiten Bergstraße abgekommen ist.

Wie Lisi das Vertrauen der Reichen und Schönen erschleicht, ist für sich genommen nicht sehr dramatisch oder mysteriös. Daher wird es mit pochenden Synthesizerklängen und, in Lisis Off-Erzählung, mit Metaphern aus Schachspiel („Der Bauer wird oft unterschätzt!“) und Skiunterricht („Die Streif verzeiht keine Fehler!“) angereichert. Ziemlich plump ist auch die Charakterisierung der überheblichen Glamourkids: „Ich hab Plazenta auf meinen Louboutins (Markenschuhen, Anm.)“, klagt etwa einer von ihnen, nachdem er Zeuge einer Kalbsgeburt wurde. Dass hinter der glänzenden Wohlstandsfassade einige Abgründe klaffen, dass Geld nicht alles ist: geschenkt. Bei all der hölzernen Dramatik, mit der der Nobeltourismuskonflikt hier aufgeladen wird, glorifiziert „Kitz“ den dekadenten Lifestyle der „Rich Kids“ aber ununterbrochen. Was machen die gestopften Influencer, wenn ihnen langweilig wird von Feierexzessen und Badewannen voller Hummer? Fragt Lisi einmal. Und wird prompt in den Chaletkeller geleitet, wo sie hemmungslos Champagnerkorken absäbeln darf. Was muss das für ein Spaß sein!

Im internationalen, von Social-Media-Stars beeinflussten Publikum, an das sich die Serie recht deutlich richtet, werden wohl ein paar Leute sein, die das genauso sehen. Nach Tirol müssen sie für ein bisschen „Kitz“-Feeling aber nicht reisen. Vielleicht finden sie ihr Glück ja im „Kitzbühel der Rocky Mountains“.

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