Die neue Variante Omikron wird eine große Belastung für Österreichs Krankenhäuser werden, sagt Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems. Im Gegenzug dürfte aber in zwei, drei Monaten fast die gesamte Bevölkerung immun sein.
„Über Omikron gibt es immer noch viele Unklarheiten – etwa hinsichtlich der Frage, ob die Variante wirklich mildere Verläufe verursacht als Delta“, sagt Epidemiologe Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems. „Aber ihre hohe Ansteckungsfähigkeit wird in jedem Fall dazu führen, dass sich sehr viele Menschen infizieren und wir dem Ziel des Gemeinschaftsschutzes nach der bevorstehenden Welle im Jänner deutlich näher sein werden. Die Omikron-Welle könnte sogar zum Überdenken der geplanten Impfpflicht führen, weil wir danach einen sehr hohen Anteil an immunen Menschen haben werden.“
Was die Wirksamkeit der Impfstoffe angeht, „waren unsere Erwartungen anfangs einfach unrealistisch“, sagt er. „Ich führe das auf den hohen Leidensdruck und die dadurch entstandene euphorische Hoffnung zurück, dass wir mit den Impfungen die Pandemie endlich bezwingen werden. Wir hätten in der Kommunikation der Impfstoffe vorsichtiger sein sollen, das lässt sich im Rückblick nicht leugnen.“ Gerald Gartlehner im Interview.
Die Presse am Sonntag: Wir befinden uns im dritten Jahr der Pandemie, der Großteil der Bevölkerung fühlt sich „mütend“. Dieser Neologismus aus „müde“ und „wütend“ entstand erst vor einigen Monaten und bringt das kollektive Lebensgefühl in der Coronakrise zum Ausdruck. Daher gleich zu der Frage, die alle am meisten interessiert: Was genau muss denn passieren, damit in Europa und Österreich aus der Pandemie eine Endemie wird – mit wiederkehrenden Infektionswellen, die so flach sind, dass die Intensivstationen nicht mehr an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und wir wieder unser altes Leben führen können?