Höhere Zinsen und negative Schlagzeilen um den Immobilienentwickler Evergrande drücken auf die Stimmung.
Die Folgen der Coronapandemie für die öffentlichen Haushalte und eine eingedämmte Geldflut der Notenbanken werden es Anlegern in Schwellenländern 2022 schwer machen. Auch niedrige Impfraten und politische Unsicherheit in der Türkei und Lateinamerika trüben die Aussichten. „Die Hürde für Investoren, in Schwellenländer zu strömen, ist höher als zuvor“, sagt Paul Greer, Manager für Schwellenländeranleihen bei Fidelity.
Bereits 2021 erfüllten sich Hoffnungen auf ein erfolgreiches Börsenjahr nicht: Schwellenländeraktien verloren sieben Prozent, während die Börsen in USA und Europa von einem Rekordhoch zum nächsten eilten. Im Vergleich zu Aktien der Industrieländer werden Papiere aus den aufstrebenden Volkswirtschaften mit dem größten Abschlag seit 17 Jahren gehandelt. 2021 sei eine „Katastrophe“ gewesen, sagt David Hauner, Anlageexperte bei BofA. „Jetzt ist es unmöglich, jemanden zu finden, der für Schwellenmärkte optimistisch ist, was ein sehr scharfer Kontrast zu letztem Jahr ist, als man keine einzige Person finden konnte, die pessimistisch war.“
Seit Jahren kommen die aufstrebenden Märkte auf keinen grünen Zweig: Abgesehen von 2010 und 2017 ist das entsprechende Börsenbarometer des Indexanbieters MSCI in jedem Jahr hinter dem US-Pendant zurückgeblieben. China spielt dabei eine entscheidende Rolle. Das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik hinkt den Erwartungen hinterher. Die negativen Schlagzeilen rund um die Schuldenkrise des Immobilienentwicklers Evergrande und staatliche Regulierung haben Anleger bei Schwellenländer-Investments zögern lassen. BofA-Experte Hauner zufolge spielt dabei aber auch eine Rolle, dass „keiner der anderen Emerging Markets momentan eine wirklich großartige Geschichte hat“.
So befinden sich Brasilien und Kolumbien vor den Wahlen im kommenden Jahr in schwierigem Fahrwasser. „Die sozialen Folgen des oft mittelmäßigen Umgangs mit der Pandemie in Lateinamerika waren heftig und haben die politische Debatte polarisiert“, sagt Erick Muller, Anlageexperte beim Vermögensverwalter Muzinich. Zudem haben hohe Inflationsraten die großen Zentralbanken Lateinamerikas veranlasst, bereits im laufenden Jahr die Leitzinsen mehrfach anzuheben. Für 2022 sei mit weiteren Zinsschritten zu rechnen, was das Kreditwachstum und die Unternehmensinvestitionen in der Region insgesamt dämpfen sollte, fasst Deutsche-Bank-Anlagestratege Ulrich Stephan zusammen. (Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.01.2022)