Unter bestimmten Bedingungen sollen Investitionen in neue Kern- und Gaskraftwerke als nachhaltig gelten, schlägt die EU-Kommission vor. Die dem zugrunde liegenden technologischen Annahmen sind äußerst optimistisch - denn Anlagen, die dafür infrage kommen, gibt es noch nicht.
Zum Jahreswechsel lancierte die Europäische Kommission in höchster Diskretion einen Gesetzestext, den die einen als Verrat der Klimaschutzziele der EU schmähen, während ihn die anderen als nötig zu deren Erreichung betrachten. Doch was genau steht in diesem delegierten Akt der Kommission zur Taxonomie-Verordnung, mit dem Kernkraft und Erdgas unter Bedingungen als nachhaltige Technologien bewertet werden sollen – um eine Brücke zum Jahr 2050 zu schlagen, in dem die Union netto nicht mehr zum Treibhauseffekt beitragen will? Eine „Presse“-Analyse.
1 Wozu dient die Taxonomie, was genau sieht sie vor?
Um sich von der fossil angetriebenen Ökonomie zu lösen, braucht es viel Geld – und vor allem private Investitionen in „grüne“ Technologien zur Erzeugung von Strom, Fernwärme und -kälte. Einheitliche Kriterien dafür schafft seit 12. Juli 2020 in der EU die Taxonomie-Verordnung. Taxonomie ist systematische Klassifizierung, und das tut die Kommission seither mittels delegierter Akte (vereinfacht gesagt Durchführungsbestimmungen), um festzuhalten, was als „grün“ respektive „nachhaltig“ gilt. Das ist großteils unverbindlich, große Unternehmen und vor allem Finanzinvestoren werden aber nach und nach mehr Berichtspflichten darüber erhalten, wie sie die Klimaziele der EU unterstützen. Hier entfaltet diese Taxonomie verpflichtenden Charakter.