Morgenglosse

Alle Tiere sind gleich, nur manche heißen Novak Djoković

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FILES-TENNIS-AUS-OPENAPA/AFP/SAEED KHAN
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Die da oben richten es sich, während wir da unten geknechtet werden: der serbische Tennisstar gibt mit seiner dubiosen Befreiung von der Impfpflicht zwecks Teilnahme an den Australian Open dem Ressentiment herzhaft Nahrung.

Tiefenentspannt blickt er in die Kamera, lässig auf die Sporttaschen gestützt, mit denen er sogleich nach Australien zu düsen gedenkt: „Ich habe fantastische Quality Time mit meine Lieben verbracht, und heute fliege ich mit einer Ausnahmezulassung Down Under. Los geht's, 2022!“, ließ Novak Djoković die Welt (zumindest jenen Teil, der an seinem Tun Anteil nimmt) am Dienstag über die sozialen Medien wissen. Der x-fache Grand-Slam-Turniersieger hat sich also durchgesetzt, muss sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen, um an den Australian Open teilzunehmen und sie möglicherweise zum vierten Mal hintereinander zu gewinnen. Wie genau er diese Ausnahme bekommen hat, ist unbekannt, und wird es wohl bleiben. Der australische Tennisverband erklärte, zwei unabhängige Expertengremien hätten seinen Antrag auf Freistellung von der Impfpflicht geprüft, es seien die landesweit gültigen Kriterien eingehalten worden.

Herr Djoković darf sich nun also der zweifelhaften Freude hingeben, sich nicht gegen ein potenziell tödliches Virus impfen lassen zu müssen, an dem erst vor Weihnachten der dreifache belgische Kickboxweltmeister Frédéric Sinistra gestorben ist. Sinistra war ein Bär von einem Mann, nur sechs Jahre älter als der „Djoker“, und ebenso wie er Impfverweigerer.

Aber gut, vielleicht immunisiert ihn ja das Trinkwasser, das er mit positiven Gedanken (wovon auch immer) zu reinigen pflegt, wie er behauptet. Oder jene alchemistischen Zaubersäftchen des Unternehmens Cymbiotika, die er eifrig bewirbt, etwa „Golden Mind“, welches zum Spottpreis von 50 Dollar pro 60-Mililiter-Flakon „das Gehirn vor oxidativem Stress und Entzündungen schützt“ (so steht es zumindest in der Werbung). Und wer weiß: unter Umständen hat ihn ja das Meditieren auf den „bosnischen Pyramiden“ des Baumeisters und Esoterikers Semir Osmanagić in Visoko (die nur fantasielose Historiker und Archäologen als simple Hügel abtun) für Corona unangreifbar gemacht. So oder so macht es Herrn Djoković wohl keineswegs nervös, dass in Australien allein seit Weihnachten (also binnen zehn Tagen) mehr als 307.000 Corona-Fälle gemeldet wurden: mehr, als in der gesamten bisherigen Pandemie. Oder doch?

Normalsterblichen Australiern jedenfalls darf man einen leisen Zorn gegen den serbischen Tennisstar nicht verübeln. Viele von ihnen durften mehr als ein Jahr lang nicht aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren. Eine Bekannte des Autors dieser Zeilen konnte diese Weihnachten erstmals nach zwei Jahren (!) ihre Familie Down Under besuchen. Melbourne war im vorigen Jahr 262 Tage lang im Lockdown. Und da soll es Extrawürste für reiche, gut vernetzte Sportler geben?

Vielleicht ist diese Episode ein Anlass, jene völlig überzogene Bedeutung zu hinterfragen, die wir Superstars aus der Spektakelbranche in unserer Gesellschaft einräumen. Sie sind, ungeachtet ihrer singulär phänomenalen Fähigkeiten, schnell zu laufen, schön zu singen, oder Filzbälle hart zu dreschen, auch nur Bürger wie alle anderen - und sollten sich an die selben Spielregeln halten.

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