Pichler "Wir sind gewohnt, wenig zu ernten"

(c) FABRY Clemens
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Während andere schon über das Weinjahr klagen, hat man im F. X. Pichler in Oberloiben gerade mit der Lese begonnen. Hier ticken die Uhren anders. Die Trauben werden auch heuer wieder für Weltruhm sorgen.

"Vierzehn Tage wird die Weinlese bestimmt noch dauern“, sagt Lucas Pichler und genießt das Herbstwetter in der Wachau. In der Sonne hat es Anfang November noch immer mehr als 20 Grad und das spüren auch die Trauben. Denn während andere bereits ihre Primeurs auf den Markt werfen, geht beim besten Winzer des Landes die Ernte erst so richtig los. In den Weingärten auf den steilen Terrassen des Dürnsteiner Kellerbergs und des Loibner Bergs reifen noch die Trauben, die auch heuer wieder für Weltruhm sorgen sollen. Denn an den Hängen der Dürnsteiner Weinberge sonnt sich seit vielen Jahren die gesamte österreichische Weinwirtschaft.

„F. X. Pichler ist der Château Latour, die Domaine de la Romenée-Conti, Zind-Humbrecht, Sandrone und Helen Turley der Wachau“, schrieb einst der berühmteste Weinkritiker der Welt, Robert Parker, in seinem „Wein Advocate“. Wer es dort zu derartigen Ehren bringt, zählt zu den ganz großen Winzern. Nicht in der Wachau, nicht in Österreich. In der ganzen Welt.

„Wir exportieren unsere Weine mittlerweile in 40 oder 41 Länder“, erzählt Lucas. Seit mehr als zehn Jahren ist der Sohn des Franz Xaver Pichler für die Weinherstellung verantwortlich. Für die Vinifizierung, wie es im Weinjargon heißt. „Mein Vater ist dafür jeden Tag im Weingarten.“

Und mit „jeden Tag“ meint Lucas „jeden Tag“. Denn wer glaubt, dass die Pichlers durch die Weltgeschichte jetten, um ihre Weine zu präsentieren, irrt gewaltig. „Wir sind die meiste Zeit in Loiben“, erzählt Lucas. Den Verkauf, die Vermarktung, das könne man alles delegieren. Die Arbeit im Weingarten und im Keller nicht. Da tickt der Sohn genauso wie sein berühmter Vater.

Was macht es aus, dass die Weine des F. X. Pichler in einem Atemzug mit den großen französischen Burgundern genannt werden? Dass sein Riesling und Grüner Veltliner bei internationalen Verkostungen mit den Chardonnays aus Montrachet und Meursault wetteifern können? Den Grundstein zu dem Welterfolg legte Franz Pichler, der Großvater von F. X., bereits im Jahr 1928. Er erkannte, dass nicht jede Grüne-Veltliner-Traube gleich ist. Manche hatten kleinere Beeren. Diese gaben zwar weniger Ertrag, wurden aber süßer und hatten viel mehr Geschmack. Während die Welt kurz vor der ersten großen Wirtschaftskrise stand, schuf vor mehr als 80 Jahren ein Winzer namens Pichler aus der Wachau seine eigene kleine Welt. Und in dieser Welt dreht sich alles um die Seele des Weins.


Jammern verboten.
Seit Tagen ist das Wehklagen der Winzer zu vernehmen. Die kleinste Ernte seit 20 Jahren, heißt es. Auch Lucas Pichler hört die Kollegen. Und er muss ein kleines Schmunzeln unterdrücken. „Wir sind gewohnt, wenig zu ernten“, sagt er. Denn die Menge sei im Weingut F. X. Pichler kaum ein Thema. Es geht darum, wie jedes Jahr den hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.

Ob das nicht einen enormen Druck darstelle, in den Augen der Wein-Freaks wieder der Beste sein zu müssen? „Man lernt damit umzugehen“, sagt der Winzer fast schon abwiegelnd. Die höchsten Ansprüche stellen ohnehin nicht die Weinkritiker und Konsumenten. Die höchsten Ansprüche stellen sein Vater und er.

Gerade einmal 16 Hektar Weingärten bewirtschaftet der Familienbetrieb. Während der Weinlese kann man bei F. X. Pichler tagsüber sturmläuten, es geht niemand ans Telefon. Es gibt keine Sekretärin, keine Empfangsdame. Die Familie und die sieben Mitarbeiter auf dem Gut sind alle im Weingarten. Erst nach Sonnenuntergang, wenn die Arbeit im Weingarten verrichtet ist, ist das Weingut F. X. Pichler wieder für die Außenwelt erreichbar.

60 Prozent der Weine werden im Ausland getrunken. „Vorwiegend in England, in der Schweiz und in den USA“, erzählt Juniorchef Lucas Pichler. „Wir achten darauf, dass wir in den besten Hotels und Restaurants der Welt vertreten sind“, erzählt er. „Das ist uns wichtig.“

Mit anderen Worten: Das Weingut F. X. Pichler ist in der glücklichen Lage, sich seine Kunden aussuchen zu können. Wer zur Philosophie des Weinguts passt, darf auf eine Flaschenpost hoffen. Oft geht es dabei gar nicht um große Geschäfte. „Wir liefern etwa 60 Flaschen an das beste Hotel auf den Malediven“, sagt Lucas Pichler. Er weiß, dass der Erfolg eines Weinguts nicht nur in der eigenen kleinen Welt zu suchen ist.


Das Risiko des neuen Kellers
. „Und wir wissen, dass wir besonders argwöhnisch unter Beobachtung stehen“, sagt er. Das habe man im vergangenen Jahr auch zu spüren bekommen. Da wurden die Trauben erstmals im neuen Weinkeller verarbeitet. Und bereits vor der Ernte wurde dieser Umstand unter Weinexperten eifrig diskutiert. Ob durch diese Umstellung die Charakteristik der Weine leiden werde? Ob man nahtlos an die außerordentlichen Qualitäten der vergangenen Jahre anknüpfen könne?

Fast schien es, als würden die Weinkritiker all diese Szenarien sogar insgeheim herbeisehnen. Doch die kleine Welt des Weinguts F. X. Pichler ließ sich nicht aus den Angeln heben. So mancher Kritiker sprach von den besten Smaragden des Hauses seit vielen Jahren.

Aber auch dadurch lässt sich das kleine Weingut in Oberloiben bei Dürnstein nicht erschüttern. Nicht nur mit dem Erfolgsdruck, auch mit dem oft überschwänglichen Lobgesang hat man längst gelernt, umzugehen. Man begegnet ihnen mit großer Gelassenheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2010)

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