Palin und Rubio: Die Königsmacherin und der Kronprinz

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Zwei Republikaner sollte man im Auge behalten: Sarah Palin und Marc Rubio. Der Neo-Senator aus Florida gilt als Antwort auf Obama. Die Ex-Gouverneurin Alaskas jagt inzwischen auch eigenen Parteigranden Angst ein.

Amerikanische Fahnen fliegen durchs Bild. Der Mount Rushmore zieht vorüber, jener Berg, in den die Köpfe von vier US-Präsidenten eingemeißelt sind. Die Neo-Senatoren Rand Paul und Marco Rubio samt Bilderbuchfamilie flimmern vorbei, ein Holzfäller schwingt die Axt, und am Ende röhrt ein Grizzly in freier Wildbahn, zu voller Größe aufgereckt. Unterlegt ist das dynamisch geschnittene Video mit Sarah Palins Stimme, unverkennbar in ihrem volkstümlichen Akzent: „Überall im Land erheben sich Amerikaner und sagen, was Sache ist. Das ist unsere Bewegung, das ist unser Augenblick, das ist unser Morgen in Amerika.“ Ist dies nun ein Aufruf zur Revolution oder die Bewerbung für die Präsidentschaft?

Die republikanische Königsmacherin, Darling der Tea-Party-Bewegung, gibt Rätsel auf. Niemand spielt auf der Klaviatur des Populismus so gekonnt wie die Ex-Gouverneurin von Alaska, die als Vizepräsidentschaftskandidatin John McCains vor zwei Jahren unvermittelt die nationale Politarena betrat. Sie sagt der „Maschinerie“ der Grand Old Party und dem „Old-Boys-Network“ den Kampf an, immer öfter kokettiert sie mit einer Präsidentschaftskandidatur. „Ich kann 2012 von meinem Haus aus sehen“, scherzte sie. Befragt nach ihrer außenpolitischen Expertise, war ihr 2008 ein legendärer Lapsus unterlaufen: „Ich kann Russland von meinem Haus sehen.“

Via Twitter, Facebook oder als ständige Kommentatorin im erzkonservativen TV-Sender Fox News bleibt sie in aller Munde. Längst ein Fixpunkt in der Medienwelt, schimpft sie auf die „Mainstream“-Medien und hält so die Dauererhitzer des 24/7-News-Zyklus am Laufen. Ab dem kommenden Wochenende wird sie in der achtteiligen Serie „Sarah Palins Alaska“ auf Discovery Channel durch ihre Heimat am Polarkreis führen, den „last frontier“-Staat. Die 46-Jährige aus Wasilla präsentiert sich darin als Draufgängerin mit Flinte, beim Jagen und Fischen, beim Trekking und Kajakfahren. „Das mache ich viel lieber, als in einem öden Büro zu sitzen,“ sagt sie im Werbespot. Dabei ist ihr Faible für Lear-Jets, Luxus und Designermode kein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Für Debbie George aus Nevada ist sie schlicht eine Heuchlerin. „Time“ warf prompt die naheliegende Frage auf, ob die Fortsetzung der Fernsehserie „Sarah Palins Amerika“ heißen könnte.

„Mama Grizzly“.
Neuerdings stilisiert sich die einstige „Hockey-Mom“ zur „Mama Grizzly“. Überhaupt hält sie es gerne mit der Tierwelt. Mal brüstete sie sich, einen Elch erlegt zu haben. Mal bezeichnete sie sich als „Sarah Barrakuda“ oder als „Pitbull mit Lippenstift“. Ihre Mitstreiterinnen rennen als „Elefanten in Pink“ gegen Männerbarrikaden an: Nikki Haley aus South Carolina, die erste indischstämmige Gouverneurin; Susana Martinez aus New Mexiko, die erste hispanische Gouverneurin; Kelly Ayotte, die neue Senatorin aus New Hampshire. Sie haben ihre Wahlsiege mit tatkräftiger Unterstützung Palins errungen. Auf das flächendeckende Netzwerk könnte Palin im Fall einer Kandidatur zählen.

Andere Bewerber, die mit Palins Segen ins Rennen gingen, fielen durch: wie Christine O'Donnell in Delaware, Carly Fiorina in Kalifornien oder Sharron Angle in Nevada. Blamabel wäre indes die sich abzeichnende Niederlage Joe Millers in Alaska. Ihn hatte sie gegen Parteifreundin und Intimfeindin Lisa Murkowski in Stellung gebracht.

Republikanische Parteigranden und Präsidentschaftsbewerber haben indessen laut Online-Zeitung „Politico“ eine Intrige gegen die unberechenbare Palin gesponnen, um sie von einer Präsidentschaftskandidatur abzuhalten. Ihr werden zwar gute Chancen zugeschrieben, mit ihrer Strahlkraft auf die Basis bei den republikanischen Primaries als Siegerin hervorzugehen. Im eigentlichen Duell ums Weiße Haus, so die gängige Meinung, hätte Barack Obama aber leichtes Spiel gegen sie.

Karl Rove, George W. Bushs Wahlkampfguru, ließ jüngst durchblicken, sie habe nicht das Zeug fürs Präsidentenamt. Ihr überraschender Rücktritt als Gouverneurin von Alaska ist vielen sauer aufgestoßen. Unverdrossen scheffelt Palin weiter Millionen. Demnächst bringt sie das patriotische Werk „America by Heart“ heraus, worin sie über Familie und Glauben reflektiert – wie maßgeschneidert als Folie für eine Präsidentschaftskandidatur.


Inkarnation des American Dream.
Damit hat Marco Rubio noch Zeit. Der frischgekürte Senator aus Florida wird allerdings schon mit Vorschusslorbeeren überhäuft, als republikanische „Antwort auf Barack Obama“ umjubelt und als potenzieller Vizepräsidentschaftskandidat für 2012 gehandelt. Der Konservative mit den Latino-Wurzeln begeistert sowohl Tea-Party-Anhänger als auch klassische Republikaner. Im Wahlkampf scharte sich das Who's who der Partei um ihn. Der 39-jährige Newcomer fügte im harten Dreikampf um den Senatssitz unter anderem dem populären Gouverneur Charlie Crist – einem Republikaner, der gezwungenermaßen als Unabhängiger antrat – ein Debakel zu. Rubios Mentor, Ex-Gouverneur Jeb Bush – der Bruder von George W. –, war zu Tränen gerührt.

(c) HANS DERYK

Den Antikommunismus bekam Rubio mit der Muttermilch eingeflößt. Seine Eltern waren aus dem Kuba Fidel Castros in die USA emigriert, der Vater hat sich als Bankettkellner durchgeschlagen, die Mutter als Zimmermädchen und Supermarktangestellte. Der smarte Anwalt und Ex-College-Footballstar, verheiratet mit einer Cheerleaderin der „Miami Dolphins“ und inzwischen Vater von vier Kindern, sieht sich als Inkarnation des „American Dream“: „Das ist die einzige Gesellschaft, in der die Zukunft nicht durch Geburt vorherbestimmt ist. Ich glaube, die USA sind die größte Gesellschaft in der Geschichte der Menschheit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2010)

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