Pandemiebekämpfung

Komplexitätsforscher Peter Klimek ist "Wissenschafter des Jahres"

Klimek bemängelte mehrmals den zu langen "politischen Bremsweg" in der Pandemiebekämpfung.
Klimek bemängelte mehrmals den zu langen "politischen Bremsweg" in der Pandemiebekämpfung.APA/HANS PUNZ
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Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zeichnete den Forscher für seine Vermittlungsarbeit aus. Der Physiker hatte des Öfteren Politikeraussagen und Maßnahmen öffentlich kritisiert.

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek ist Österreichs "Wissenschafter des Jahres 2021". Gewählt haben den unermüdlichen Covid-19-Prognostiker und -Mahner die Mitglieder des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Mit der am Montag in Wien übergebenen Auszeichnung wird u.a. die Vermittlungsarbeit des 39-jährigen Wissenschafters vom Complexity Science Hub (CSH) und der Medizinischen Universität Wien rund um die Corona-Pandemie gewürdigt.

Bei der seit 1994 jährlich durchgeführten Wahl will der Journalistenklub vor allem das Bemühen von Forscherinnen und Forschern auszeichnen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Bewusstsein für die Bedeutung der heimischen Wissenschaft zu steigern. Klimek habe sich kaum träumen lassen, die Auszeichnung zu erhalten: "Wie sich das in den letzten Jahren beschleunigt und entwickelt hat, macht mich eigentlich sprach- und fassungslos", sagte der Wissenschafter.

Einen Schritt weiter zur „Bananenrepublik"

Klimek ist seit Pandemiebeginn etwa im Rahmen des Covid-Prognosekonsortiums eng mit dem Management der Krise verbunden. Dabei teilte der Physiker und Komplexitätsforscher auch mehrfach Spitzen gegen die Politik aus wegen epidemiologisch kaum nachvollziehbarer Maßnahmensetzungen oder -lockerungen bzw. wegen deren Trägheit in der Pandemiebekämpfung: "Anscheinend ist die Strategie, das Virus mit unvorhersehbaren Öffnungsschritten zu verwirren", sagte Klimek etwa angesichts angekündigter Öffnungsschritte bei steigenden Zahlen im März 2021. Mehrfach bemängelte er den zu langen politischen "Bremsweg". Nicht zuletzt sah der stets besonnene Wissenschafter angesichts von Politikeraussagen, die die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich just vor dem sich neuerlich abzeichnenden Lockdown im Herbst beförderten, das Land "einen Schritt weiter zur Bananenrepublik" werden.

Mittlerweile gehört Klimek zu den am häufigsten in den Medien auftretenden Wissenschaftern und wird zunehmend auch zu seinen politischen Einschätzungen befragt. "Ich habe die Aufgabe des Wissenschafters immer schon so verstanden, dass Kommunikation ein großer Teil davon ist". Es gehe auch darum, weniger wissenschaftsaffinen Menschen erklären zu können, "warum das etwas Cooles und Sinnvolles ist", sagte der Forscher, der seine Vermittlungsarbeit nun auch viel mehr in den politischen Kontext einbetten musste, und seine Aussagen mitunter plötzlich auch politisch verwendet sieht: "Das war sicher eine neue Herausforderung."

Sich auf einmal in den meistgesehenen Nachrichtensendungen wiederzufinden, war für Klimek ebenso neu. Er habe sich früher oft darüber "innerlich extrem aufgeregt", dass dort Menschen auftraten, "die zehn Minuten reden und nichts sagen. Da habe ich mir vorgenommen: Sollte ich einmal dort sitzen, sage ich einfach, was los ist". Er schätze es, dass man als Wissenschafter vielfach freier sprechen könne als so mancher Politiker - "selbstverständlich immer verankert in der Evidenz, wo es unser Tagesgeschäft ist, diese aufzubereiten".

Das wichtigste für die "Pandemieerklärer" sei, "dass man einfach immer am Laufenden und am neuesten Stand bleibt, bei dem, wie sich die Forschungsergebnisse entwickeln. Ich möchte den Leuten sagen, dass wir diese Aufgabe wahrnehmen und sehr ernst nehmen", betonte Klimek. Wie rasch sich alles verändern kann, zeige nicht zuletzt die neue Omikron-Variante des Covid-19-Erregers.

Klimek will „sich selber treu bleiben"

Bei den fast schon zur Routine gewordenen Medienauftritten versuche er, sich "selber treu zu bleiben", sagte der Vater zweier kleiner Kinder. Zu seinen Aussagen bezüglich der Wissenschaftsfeindlichkeit hierzulande habe er etwa sehr viel positive Rückmeldung bekommen. Man müsse jedenfalls weiter herausstreichen, wie die Wissenschaft zu Lösung der Pandemie beiträgt, und die Themenführerschaft nicht "ein paar Tausend Leuten, die am Ring laut schreien" überlassen.

Sozusagen "nur" seine Forschung vermittelt hat der in Niederösterreich und Wien aufgewachsene Wissenschafter auch schon lange vor der Pandemie. So publiziert er seit vielen Jahren regelmäßig in renommierten Fachmagazinen - oft auch im Tandem mit dem CSH-Chef Stefan Thurner, dem "Wissenschafter des Jahres 2017". Die Palette der Themen, mit denen sich Klimek auf Basis von Daten auseinandersetzt, ist durchaus erstaunlich: So wies er mit einer eigens entwickelten statistischen Methode diverse Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in aller Welt nach, befasste sich mit dem Wandel von Trends in der Popmusik oder wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen.

Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt jedoch seit langem im medizinischen Bereich. "Wir wollen verstehen, wie gesund wir Österreicherinnen und Österreicher eigentlich sind", so Klimek. Ein ständiger Begleiter ist dabei die im internationalen Vergleich oft schwierige Verfügbarkeit von Daten, aus denen sich wichtige Erkenntnisse ableiten lassen - ein Aspekt, den Klimek auch im Verlauf der Pandemie mehrfach kritisch angesprochen hat.

„Durchwurschteln“ von Welle zu Welle

Damit zusammen hänge auch, dass man sich in Österreich leider immer nur von Welle zu Welle "durchgewurschtelt" hat. Die Pandemie laufe schon rund zwei Jahre lang und könne noch länger weiter gehen: "Wir müssen einmal beginnen, da permanente Strukturen zu schaffen."

Eine Strukturdebatte im Medienbereich wünscht sich der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. So nimmt man die heurige Ehrung zum Anlass, um im Rahmen einer Initiative "auf den Stellenwert der Vermittlung wissenschaftlicher Fakten durch fundierten, ausgewogenen Bildungs- und Wissenschaftsjournalismus aufmerksam zu machen". Im Zuge der geplanten Neuordnung der Medienförderung sollte dem Stellenwert der wissenschaftlichen Berichterstattung damit Rechnung getragen werden, dass das Vorhandensein einer Wissenschaftsredaktion mit angestellten Journalisten zu einem der Kriterien für die Zuerkennung von Presseförderung wird. Wissenschaftsjournalismus leiste "einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen 'Fake News'", so die Klubvorsitzende, Eva Stanzl von der "Wiener Zeitung".

Die Vereinigung arbeitet hierzu ein Konzept aus, das als Grundlage für Diskussionen mit dem Bildungsministerium dienen soll. Unterstützung für eine "übergreifende, koordinierte und nachhaltige Strategie zur Wissenschaftskommunikation" kommt von der früheren Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), Helga Nowotny, und zahlreichen "Wissenschaftern des Jahres". "Wir müssen mit Evidenz ein Gegengewicht zu alternativen Fakten und bloßem Hörensagen schaffen", so Klimek. In dieselbe Kerbe schlagen auch seine Vorgänger, die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter, der Theologe Ulrich Körtner, der Chemiker Nuno Maulide, die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal, der Prionen-Forscher Herbert Budka, der Alternsforscher Georg Wick oder der Preisträger des Jahres 2004, der Mathematiker und nunmehrige ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner.

Nach der Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl als "Wissenschafterin des Jahres 2020" ist Klimek nun bereits der zweite Ausgezeichnete aus der Riege der Forscher, die sich zuletzt stark um das Management der Pandemie verdient gemacht haben. In den Jahren davor haben die Historikerin Barbara Stelzl-Marx (2019), der Chemiker Nuno Maulide (2018), Stefan Thurner (2017) und die Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer (2016) die Auszeichnung erhalten.

(APA)

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