Energie

Ehemalige Atom-Aufsicht-Chefs: „Atomkraft ist nicht sicher“

AKW Temelìn
AKW Temelìn(c) FOLTIN Jindrich / WB (FOLTIN Jindrich / WB)
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Mit klaren Worten melden sich vier Männer zu Wort, die früher Chefs von Atomaufsichts- und Energiebehörden in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland waren. Sie sprechen sich klar gegen Atomkraft aus.

In einem gemeinsamen Communiqué, das mit Freitag vergangener Woche datiert ist, sprechen Greg Jaczko, Wolfgang Renneberg, Bernard Laponche und Paul Dorfman der Atomkraft ab, eine stärkere Rolle in der Energieversorgung, insbesondere im Kontext der Klimakrise, spielen zu können.

Jaczko, ein Physiker, kam 2005 als Commissioner in die Nuclear Regulatory Commission (NRC), die Atomaufsichtsbehörde der USA, und wurde 2009 NRC-Chef. Er trat 2012 zurück und arbeitet heute als Berater für Erneuerbare Energien. Renneberg, Jurist, war von 1998 bis 2009 Leiter der Abteilung „Reaktorsicherheit, Strahlenschutz und Entsorgung“ im deutschen Umweltministerium (bei dem die Aufsicht über die deutschen AKW angesiedelt ist). Laponche, Physiker, war im Kommissariat für Atomenergie tätig, unter anderem auch bei Planung und Bau der ersten französischen Atomkraftwerke. Paul Dorfman war im Komitee zur Untersuchung von Atomkraft-Risiken der britischen Regierung tätig. Alle vier haben mittlerweile der Atomkraft abgeschworen.

In ihrem Statement wird eingangs auf die wichtigen und raschen Änderungen, die aufgrund des Phase-outs von fossilen Energieträgern nötig seien, hingewiesen. „Im Zentrum davon steht aber die Frage, ob Atomkraft in der Klimakrise behilflich, ob sie wirtschaftlich ist, welche Konsequenzen Unfälle haben, wie man mit dem Atommüll umgehen soll“ – und ob dies angesichts der vorhandenen erneuerbaren Energieträger sinnvoll sei.

Weder „sauber, sicher, smart oder billig"

„Die zentrale Botschaft, die immer wieder wiederholt wird, die neue Generation der Atomkraftwerke sei sauber, sicher, smart und billig, ist Fiktion,“ heißt es in dem Statement, in dem sich die vier auch als „Schlüsselexperten“ bezeichnen, die „an der Front der Nuklearenergie“ tätig gewesen seien. Es sei ihre „kollektive Verpflichtung“, sich jetzt zu Wort zu melden.

„Die Realität ist, dass Atomkraft weder sauber, noch sicher oder smart, sondern eine hochkomplexe Technologie ist, mit dem Potenzial, erheblich Schaden anzurichten. Nuklearenergie ist nicht billig, sondern extrem teuer.“ Und es sei auch nicht geeignet, irgendein Energieproblem in der Klimakrise zu lösen: „Um einen relevanten Beitrag dazu zu leisten, wären abhängig vom Design Zehntausende von Reaktoren nötig.“

Zusammenfassend erklären sie, Atomkraft sei

  • zu teuer, um einen relevanten Beitrag zur Energieversorgung zu liefern,
  • teurer als erneuerbare Energie,
  • zu teuer und zu riskant für den Finanzmarkt,
  • nicht nachhaltig, weil die Frage des Endlagers nach wie vor ungelöst ist,
  • ein militärisches Risiko, weil das neue Reaktordesign das Risiko der Verbreitung waffenfähigen Materials erhöht,
  • in Bezug auf neue Reaktortypen (SMR) technisch zu unausgegoren,
  • zu komplex, um effiziente Anleitungen für Bau und Betrieb zu erstellen,
  • nicht umsetzbar, zumal die Kraftwerke in ausreichender Zahl bis 2030 in Betrieb sein müssten.

Gregory Jaczko, dessen Eltern familiäre Wurzeln auch in Wien haben, war für die "Presse" nur kurz erreichbar, bestätigte die Authentizität des Communiqués und verwies auf einen öffentlichen Auftritt, den er im Jänner 2020 im American Institute of Physics hatte. Darin hat er sich unter anderem an die Zeit unmittelbar nach der Atomkatastrophe in Fukushima (Erdbeben, Tsunami, Kernschmelze, 2011) erinnert und gemeint, dass "so ein Unfall auch in den USA" geschehen könne.

„Zu Gespräch mit der EU-Kommission bereit"

Wolfgang Renneberg erläuterte in einem Telefonat am Montag: "Es sind schöne Geschichten, die uns die Atomindustrie da erzählt; aber eben nur Geschichten. Keine einzige Behauptung hält einer Überprüfung stand." Er meint, dass "gerade eine Welle läuft, wo Dinge erzählt werden, die wir vor vielen Jahren schon gehört haben – dass Atomstrom billig sei, zum Beispiel, dass er das Klima rettet. Völlig absurd, es entspricht einfach nicht den Tatsachen."

Das Communiqué wurde auch an Regierungen und Ministerien in Europa verteilt. "Ich hoffe", so Renneberg, "dass es zu einem Gespräch mit der EU-Kommission kommt. Wir sind jedenfalls bereit dazu. Aber es sieht so aus, dass das jetzt im EU-Parlament durchgeboxt werden soll."

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