Im Fall Meinl European Land waren 500 Verfahren bis zum Urteil des Obersten Gerichtshofes ruhend gestellt worden. Diese könnten dem Handelsgericht Wien nun viel Arbeit bereiten.
Die Causa Meinl European Land (MEL, heute Atrium) beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Nach den umstrittenen Zertifikatsrückkäufen im Sommer 2007 kam es zu einem dramatischen Kurscrash und zigtausende Kleinanleger haben viel Geld verloren. Etwa 10.000 - das ist Schätzungen zufolge nicht einmal die Hälfte - sind vor Gericht gezogen. Ein großer Teil der Klagebegehren richtet sich gegen die Meinl Bank, der vorgeworfen wird, die MEL-Papiere als sicheres Investment verkauft zu haben. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat vor wenigen Wochen zwei Anlegern in dieser Frage recht gegeben. Die beiden Urteile gelten als richtungsweisend und bringen die Prozesslawine gegen die Meinl Bank wieder ins Rollen.
Die meisten Anleger haben die Meinl Bank auf Irreführung oder Schadenersatz geklagt. In den beiden nun höchstgerichtlich entschiedenen Causen ging es darum, ob das Finanzinstitut die Anleger mit den Aussagen im MEL-Werbeprospekt in die Irre geführt hat, was die Höchstrichter bejaht haben und die Meinl Bank als kapitalmarktfeindlichen Entscheid interpretiert.
500 Verfahren ruhend
Durch die beiden OGH-Urteile kommt jetzt auf die unteren Instanzen, vor allem das Handelsgericht (HG) Wien, wieder einiges an Arbeit zu. Michael Poduschka, der Anwalt der beiden vorm OGH siegreichen Anleger, schätzt, dass jetzt etwa 500 Verfahren, die bis zum höchstrichterlichen Spruch in der Causa ruhend gestellt wurden, fortgesetzt werden. Allein in seiner Kanzlei seien es 207.
Die Verfahren verursachten einen "enormen" Mehraufwand für das HG, kritisierte der Rechtsvertreter. Vor allem stößt ihm sauer auf, dass nun die Meinl Bank den Spieß umdreht und jene zwei Kläger, die vorm OGH gewonnen haben, auf Schadenersatz verklagt. Das Geldhaus argumentiert, von den Anlegern getäuscht worden zu sein, da diese beim Kauf der MEL-Papiere unterschrieben hätten, das Risiko eines Totalverlusts einzugehen, später aber vor Gericht vorgebracht hätten, sie hätten ein Produkt mit geringem Risiko kaufen wollen. Die Meinl Bank schließt nach Angaben von Freitag nicht aus, bei "ähnlich gelagerten" OGH-Entscheiden gegen weitere MEL-Kläger vor Gericht zu ziehen. Poduschka dazu: "Wenn in jedem Fall, der im Instanzenzug rechtskräftig entschieden wurde, ein neuer Rechtsgang eröffnet würde, würde das Justizsystem aufgeben müssen."
Hohe Kosten
Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass dies hohe Kosten verursachen würde, so der Anwalt. Beim ersten OGH-Verfahren sei es um einen Streitwert von knapp 20.700 Euro gegangen, die Anwalts- und Gerichtskosten, die die Meinl Bank zu bezahlen hat, lägen weit darüber. Der nunmehr von dem Finanzinstitut angestrengte Prozess könnte die Bank wieder 25.000 Euro kosten, meint Poduschka. In seinen Augen "wird ohne jegliche wirtschaftliche Überlegung nur wegen des reinen Rechtbehaltens prozessiert." Da das Geldhaus an der MEL ohnehin 600 Mio. Euro verdient habe, sei offenbar auch genügend Geld für tausende Prozesse da. "Wäre es nicht sinnvoller, den Anlegern vernünftige Vergleiche anzubieten?"
Poduschka geht aufgrund der Entscheidungen des HG Wien in den vergangenen drei Wochen davon aus, "dass der größte Teil der Verfahren gegen die Meinl Bank gewonnen wird". Immerhin berechtigten nicht mehr nur die Risikoträchtigkeit und der konkrete Verkaufsprospekt zur Anfechtung. Auch die Frage, ob es sich um eine Gesellschaft nach österreichischem oder nach Jersey-Recht handelte, befasste die Höchstrichter. Ein weiterer Kritikpunkt der Höchstrichter war, dass die Papiere als Aktien statt als Zertifikate beworben wurden. Zudem habe kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Wien festgestellt, dass die "durch Werbeträger von ihr (Meinl Bank, Anm.) verbreiteten irreführenden Botschaften dann durch Mundpropaganda 'multipliziert' wurden ... und auf diese Weise ... zum Anleger gelangten", wie Poduschka in einem vor wenigen Tagen beim HG eingebrachten Schriftsatz ausführt.
Meinl Bank weist Vorwürfe zurück
Die Meinl Bank hat den Vorwurf, Anleger mit der MEL-Werbung in die Irre geführt zu haben, stets zurückgewiesen. Das Geldhaus sieht einerseits die Schuld bei den Finanzberatern und argumentiert andererseits mit der Eigenverantwortung der Anleger. Aus diesem Grund will man auch jetzt bis in die höchste Instanz ausjudizieren lassen, "ob grundlegende Parameter für das Funktionieren des österreichischen Kapitalmarkts noch bestehen oder nicht", wie Bankvorstand Peter Weinzierl am Freitag verkündet hatte.
(APA)