Morgenglosse

Ein Winter des Missvergnügens für Boris Johnson

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„Partygate“ und kein Ende: Der britische Premier sieht sich heute in der Fragestunde im Parlament der geballten Kritik der Opposition ausgesetzt. Am gefährlichsten für ihn ist indes der Unmut in der eigenen Partei.

Bei der wöchentlichen Fragestunde des Premiers im Parlament in Westminster muss sich Boris Johnson zu Mittag am Mittwoch auf harte Bandagen der Opposition gefasst machen. „Partygate“, die Serie von peinlichen Enthüllungen über Weihnachts- und Gartenpartys in der Downing Street während des harten Lockdowns in Großbritannien im Jahr 2020, hat ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. „Nützen wir das schöne Wetter und bringt Alkohol mit“, so lautete die Aufforderung des Privatsekretärs des Premiers via E-Mail an die Mitarbeiter des Regierungschefs.

Die Labour Party, die Corona-Opferverbände und selbst die Zeitungen, die Johnson wohlgesonnen sind, sind in heller Aufregung. Der Tory-Premier versinkt im Strudel von Affären und Skandalen – von der Renovierung seiner Dienstwohnung, dem Filz und der Korruption unter konservativen Abgeordneten bis hin zu „Partygate“. Und die fatalen Folgen des Brexits zeichnen sich erst am Horizont ab.

Der brillante Rhetoriker, nie um einen Scherz verlegen, wird sich wohl nicht mehr herausreden können, von all dem nichts gewusst zu haben – und herauswinden wie ein moderner Houdini. Er wird sich eine wahrhaftige Entschuldigung abringen müssen, um – wieder einmal - seinen eigenen Kopf zu retten. Nach seinem Chefberater Dominic Cummings, der selbst gegen die Lockdown-Regeln verstoßen hat, nach der Pressesprecherin Alexandra Stratton, die sich in einer Fake-Pressekonferenz über die Medien lustig gemacht hat, wird Johnson wohl seinen Sekretär Martin Reynolds als Bauernopfer über die Klinge springen lassen.

Bewährungsprobe bis zum Frühjahr

Ob das reichen wird, um die Stimmung zu drehen und die Briten zu besänftigen? Bei einer Nachwahl in North Shropshire, einer Tory-Hochburg, haben die Wähler seiner Regierung im Dezember ein Debakel beschert. „Ein Schlag noch, und er ist draußen“, polterte ein Tory-Veteran. Kurz davor waren schon 99 konservative Abgeordnete bei einem Votum über die Corona-Maßnahmen im Parlament von der Fahne gegangen. Es war die bisher deutlichste Warnung an den triumphalen Wahlsieger vom Dezember 2019.

Die eigene Partei gab ihm vor Weihnachten noch eine Chance - eine Bewährungsprobe bis zum Frühjahr. Hinter den Kulissen machen sich bereits Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss bereit, im Ernstfall die Nachfolge anzutreten. Wie brutal die Partei ihre Premierminister fallen lässt, wenn sie ihr nicht mehr nützlich erscheinen, zeigte sie am Beispiel von Margaret Thatcher und Theresa May. Für Boris Johnson ist der Winter des Missvergnügens noch nicht zu Ende. Obwohl er bei der massiven Omikron-Welle mit seinem Laissez-faire-Krisenmanagement bisher Glück im Unglück hatte, wird er nicht ewig auf sein Charisma und seine Fortüne vertrauen können.

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