Analyse

Zu hohe Coronahilfen: Momentum Institut fordert Sondersteuer bei "Überförderungen"

Die Presse/Clemens Fabry
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Vor allem Österreichs Gastronomie und Hotellerie habe viel zu hohe Coronahilfen erhalten, sagt das gewerkschaftsnahe Momentum Institut und fordert eine Sondersteuer, um überhöhte Förderungen wieder abzuschöpfen.

Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut hat sich die EU-Beihilfentransparenzdatenbank und die Jahresabschlüsse von österreichischen Unternehmen angesehen und kommt zu dem Schluss, dass vor allem Österreichs Gastronomie und Hotellerie viel zu hohe Coronahilfen erhalten haben. Viele Unternehmen hätten dadurch sogar ihre Gewinne steigern können, sagen die Momentum-Ökonomen und empfehlen eine Sondersteuer („Überförderungsabgabe"), um diese Gewinne wieder abzuschöpfen.

„Wir haben uns 502 Unternehmen genauer angeschaut und es zeigt sich, dass über 367 Unternehmen Gewinne geschrieben haben", sagte Momentum-Ökonom Oliver Picek im Ö1-„Morgenjournal". Ausgewertet wurden die Jahresabschlüsse für das Jahr 2020. "Das deutet stark auf Überförderung hin", so Picek. Aufsummiert betrage die Überförderung bei den betrachteten Unternehmen 103 Millionen Euro, hat Momentum berechnet. „Ersetzt wurde immer ein Anteil am Umsatz, ohne auf die tatsächlichen Kosten zu achten", kritisierte Momentum-Ökonom Alexander Huber laut Mitteilung.

Neue Zahlen sind in die Datenbank der EU-Kommission Ende Dezember 2021 eingespielt worden. Es zeigt sich laut „Standard" (Donnerstagausgabe), dass auch Branchen gefördert wurden, die gar nicht in der Krise waren - etwa ein Supermarkt, eine Drogeriekette und Elektrohändler. Auch hätten jene Unternehmen besonders hohe Zuschüsse bekommen, die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten über mehrere Gesellschaften betreiben.

Momentum empfiehlt „Überförderungsabgabe"

Untersucht wurden von Momentum nur Unternehmen, die höhere Förderungen bekommen haben, weil staatliche Hilfen erst ab 100.000 Euro veröffentlicht werden müssen. Auch die geförderte Kurzarbeit ist in die Berechnungen nicht eingeflossen. Das Momentum-Institut empfiehlt die Einführung einer Sondersteuer („Überförderungsabgabe"), um überhöhte Förderungen wieder in den Staatshaushalt zurückzuführen. „Mit Steuergeld steigende Gewinne zu subventionieren, geht eindeutig am Zweck vorbei."

Der Wifo-Ökonom Werner Hölzl betonte gegenüber dem „Kurier" (Donnerstagausgabe), dass man für präzise Modellrechnungen Informationen zu allen Unternehmen bräuchte, Daten für kleinere und mittlere Betriebe aber dem Datenschutz unterliegen würden und daher nicht in der Transparenzdatenbank erfasst seien. „Wir hoffen, dass die Wissenschaft in Zukunft zur Klärung solcher Fragen wieder besseren Zugang zu Daten bekommt", sagte Hölzl. „Dann werden gewisse Debatten vielleicht weniger heftig ausgetragen, weil sie auf einer rationalen Basis stehen." Bisherige Analysen von Förderungen würden darauf hindeuten, dass es „in den meisten Fällen nicht zu einer Überförderung gekommen sein dürfte", so Hölzl.

Für die KPMG-Steuerberaterin Verena Trenkwalder, Präsidentin der Steuerberater in Oberösterreich, ist es „keine Frage, dass manche überfördert und manche unterfördert wurden". So sei der Umsatzersatz im November 2020, der 80 Prozent des ausgefallenen Umsatzes ersetzt habe, „wirklich ein bisschen schiefgegangen", sagte Trenkwalder dem ORF-Radio. „Das war sicher zu hoch."

Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria beurteilt die Coronahilfen als grundsätzlich richtig. Dass geförderte Unternehmen hohe Gewinne einfahren, zeige aber, dass es die Regierung nicht geschafft habe, ihre Hilfsmaßnahmen richtig aufzustellen. Im Gegensatz dazu seien etwa in Deutschland die Kurzarbeitszahlungen beim Umsatzersatz gegengerechnet worden. „Eine rechtlich einwandfreie Rückforderung der ja zu Recht erhaltenen Corona-Hilfen wird nur schwer umzusetzen sein", sagte Agenda-Ökonom Marcell Göttert dem "Standard".

(APA)

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