Wirtschaft

Eine tierische Partnerbörse für nachhaltigere Schnitzel

Das Forschungsteam um Marianne Penker (links) untersucht, wie sich „Cowsharing“ auf Fleischproduktion und -konsum auswirkt.
Das Forschungsteam um Marianne Penker (links) untersucht, wie sich „Cowsharing“ auf Fleischproduktion und -konsum auswirkt.FWF/Luiza Puiu
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Kuh-Patenschaften sollen Konsumenten in den Kreislauf der Nahrungsmittelherstellung mit einbeziehen. Das könnte ein Weg zu einer ökologischen, sozialen und ökonomisch sinnvollen Fleischproduktion sein, vermutet ein Forschungsteam von Boku und Vet-Med-Uni Wien.

Heutzutage teilt man mit Vorliebe Postings in den sozialen Netzwerken, unter dem Schlagwort „Carsharing“ auch Autos – warum also nicht auch Kühe? Selbst wenn die Idee zunächst ungewöhnlich erscheinen mag: Das Prinzip des „Cowsharings“ gilt als mögliches Best-Practice-Beispiel auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Milch- und Fleischversorgung. Das sagt Marianne Penker von der Boku Wien, die das Forschungsprojekt „Co(w)learning“ leitet. Ziel des vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten und gemeinsam mit der Vet-Med-Uni Wien durchgeführten Vorhabens ist es, Forscher und Experten aus der Praxis an einen Tisch zu holen, um gemeinsam Möglichkeiten auszuloten, wie das Schnitzel der Zukunft möglichst schonend auf den Tisch kommt. Konkret geht es darum, die Produktion von tierischen Produkten ökologisch verträglich, ökonomisch sinnvoll, sozial adäquat und unter größtmöglicher Berücksichtigung des Tierwohls zu gestalten.

„Österreich ist mit der Direktvermarktung schon jetzt ein Vorzeigeland und demonstriert, wie ,kurze Ketten‘ Landwirtschaft und Konsum einander näherbringen“, sagt Penker. Ein wesentlicher Aspekt aus Sicht der Nachhaltigkeitsforschung ist die Möglichkeit des Informationsaustauschs: „Die bäuerlichen Familien bekommen direktes Feedback zu den gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Erzeugnisse, und der Kunde lernt manche Herausforderungen der Landwirtschaft kennen.“

Mit Porträtbild und Steckbrief

Das Cowsharing-Modell ermöglicht gleichfalls einen direkten Kontakt zwischen Erzeuger und Kunden: Wer eine Patenschaft für ein Tier erwirbt, wird über dessen Werdegang informiert, kann es bei manchen Angeboten sogar besuchen, selbst melken sowie über eine Webcam verfolgen, und er bekommt regelmäßig Käsekostproben, hergestellt aus der Milch „seiner“ Kuh. Auf Internetportalen werden verfügbare Rinder aufgelistet – inklusive Porträtfoto und Charakterbeschreibung, so, wie man es von Partnerbörsen her kennt. Mathias und Katja Erath aus Au in Vorarlberg betreiben nicht nur eine sehr auf den ökologischen Fußabdruck bedachte Landwirtschaft, sondern auch die Onlineplattform kuhforyou.at. „Wir wollen den Konsumenten den vollständigen Kreislauf der Herstellung tierischer Nahrungsmittel veranschaulichen“, sagt Katja Erath, die sich bereits über zahlreiche Patenschaften für Elsa, Kira und Co. freut.

„Im Projekt untersuchen wir, ob diese oder andere Innovationen auch in größerem Maßstab nachhaltig umsetzbar sind“, sagt Penker. Input kommt von Vertretern der heimischen Rinderzüchter ebenso wie von Wirtschaftsfachleuten, Tierschutzorganisationen und der Gastronomie. Einer der Ansätze sind die Essgewohnheiten: Derzeit verzehrt jeder Österreicher im Schnitt 60 Kilo Fleisch pro Jahr – weit mehr, als das Gesundheitsministerium empfiehlt. Die Umweltschutzorganisationen wiederum verweisen auf die Folgen der Produktion von Fleischwaren für das Klima: Laut WWF verursacht die Herstellung tierischer Lebensmittel zwei Drittel der nahrungsmittelbedingten Treibhausgasemissionen Österreichs. Das Futter für die rund zweieinhalb Millionen heimischer Rinder verbrauche viel Anbaufläche und werde zum Teil in Übersee unter wenig nachhaltigen Bedingungen produziert.

„Und letztlich landen vom Schlachttier oft nur die Gustostückerln auf dem Teller“, ergänzt Penker. Die Menge an Abfällen von tierischen Lebensmitteln zu reduzieren ist ein weiteres Ziel des fünfjährigen Forschungsprojekts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2022)

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