Energiegemeinschaften

Ein Kochrezept für Gemeinden, die ihre eigene Energie „brauen“

Georg Brunauer, Professor am Studiengang Smart Building und Smart Cities an der Fachhochschule Salzburg
Georg Brunauer, Professor am Studiengang Smart Building und Smart Cities an der Fachhochschule SalzburgFranz Neumayr
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Einzelne Orte sind für ökologisch und ökonomisch sinnvolle Projekte oft zu klein. Salzburger Forschungsteams zeigen, wie gute Zusammenschlüsse neue Energiesysteme fördern können. Die Gemeinde Obertrum dient als Blaupause für andere Orte und Regionen.

Obertrum im Salzburger Flachgau kennt man wegen seines idyllischen Sees und der schönen Voralpenlandschaft. Bierliebhaber verbinden die Trumer Brauerei mit dem Ort. Geht es nach Georg Brunauer, Professor am Studiengang Smart Building und Smart Cities an der Fachhochschule Salzburg, dann soll die Salzburger Gemeinde sich auch als Vorreiter bei der Umsetzung eines „quartierbezogenen Energiesystems“ mit Fotovoltaik und Wasserstoff einen Namen machen. Obertrum stand im Mittelpunkt des vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekts namens „H2 Village“.

Dabei wurden die Voraussetzungen untersucht, um mit der Kraft der Sonne Strom zu erzeugen, die Energie in Form von Wasserstoff zu speichern und zu nützen. Angedacht werden unter anderem eine Wasserstoff-Tankstelle sowie ein Carsharing-Angebot mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Außerdem ging es um die Frage, ob solche Modelle zur Stabilisierung der Energienetze beitragen können. „In jeder Gemeinde gibt es das Potenzial zur Nutzung von Fotovoltaik“, sagt Brunauer. Doch in den meisten Orten fehlt die Expertise, um das Potenzial konkret einzuschätzen und auch auszuschöpfen. Das Projekt schuf jene Grundlagen, die es braucht, um eine Entscheidungsbasis zu haben. „Wir haben eine Art Kochrezept erstellt, das auch von anderen Gemeinden, die in Richtung Energiegemeinschaften gehen wollen, verwendet werden kann.“

Im ersten Schritt von „H2 Village“ wurden Daten erhoben. Die Haushalte der 5000-Einwohner-Gemeinde machten per Fragebogen Angaben zum Energieverbrauch, dem Zustand der Gebäude, der Heizsysteme oder ihrem Mobilitätsverhalten. Außerdem ging es um die Erhebung vorhandener Dachflächen und deren Potenzial für Fotovoltaik. Begehungen des Gemeindegebiets sowie Simulationen der Auswirkungen verschiedener Szenarien auf das örtliche Energienetz ergänzten die Datensammlung. Daraus ist ein kommunaler Energienutzungsplan entstanden, der den Status quo in der Gemeinde zeigt sowie die Möglichkeiten für Sanierung und Fotovoltaik, um in Richtung Energieautonomie zu kommen.

Wenig wirtschaftlich für eine Gemeinde

Das Ergebnis: Das angedachte System wäre zwar technisch machbar, wirtschaftlich aber wenig sinnvoll. Die Wasserstoffanlage würde so viel Strom brauchen, dass für andere notwendige Anwendungen kaum Energie übrig bliebe. Brunauers Fazit lautet deshalb: „Es bringt nichts, wenn sich eine einzelne Gemeinde eine Wasserstoffanlage hinstellt. Solche Projekte müssen in größeren Regionen gedacht werden, um wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll zu sein.“

In einem nächsten Schritt werden im Rahmen eines vom Land Salzburg geförderten Forschungsprojekts die Erfahrungen auf andere Gemeinden übertragen. Ziel ist es, Modellregionen mit lokalen wasserstoffbasierten Energiesystemen auf Basis erneuerbarer Quellen zu schaffen und damit zur Dekarbonisierung beizutragen.

Bis Mitte 2023 wird am Beispiel von mehreren Salzburger Städten und Marktgemeinden der Einsatz von „grüner“ Energie berechnet. Dabei soll eine intelligente und vorausschauende Regelung entwickelt werden, die alle Systemkomponenten einbindet und mit einem Algorithmus auch das Lastmanagement und die Wetterprognose berücksichtige, erläutert Brunauer.

Die Modellierung und dynamische Simulation übernimmt in dem Projekt das Institut für Energietechnik und Thermodynamik an der TU Wien. Als Industriepartner sind der regionale Energieversorger Salzburg AG, die Salzburger Aluminium Group SAG und der Zellstofferzeuger AustroCell in Hallein dabei.

Demo-Anlage für den Praxistest

Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes ist die praktische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Dazu starten gerade die Planungen für eine praxistaugliche Demonstrationsanlage an der FH-Salzburg am Campus Kuchl zur Umwandlung und Speicherung von Wasserstoff. Ganz nebenbei hat diese Regionalisierung der Stromerzeugung noch einen wichtigen Zusatznutzen: Die mit Wasserstoffspeichersystemen ausgestatteten Gemeinden können sich dadurch auch besser vor möglichen Blackout-Szenarien schützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2022)

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