Die Kinder impfen lassen oder nicht? Eine Frage, die bei vielen (Ex-)Paaren für Konflikte sorgt.
Covid-Impfung

Wenn die Kinderimpfung die Eltern spaltet

Vor allem bei getrennten und uneinigen Paaren kann die Covid-Impfung zu tiefgreifenden Konflikten führen. Die Bedenken sind groß, was etwa die Langzeitfolgen betrifft. Doch Berater stellen oft fest: Die Impfung selbst ist nur ein vorgeschobenes Argument.

Die Kinder haben sich flexibel gezeigt, das hat Anna durchaus überrascht. Den Antigen-Test der beiden Teenager haben die Betreiber eines Eislaufplatzes nicht akzeptiert, also sind die beiden, 12 und 13 Jahre, schulterzuckend nach Hause. Kein Drama, keine große Enttäuschung. Dann eben ein anderes Mal mit einem PCR-Test. „Auch, wenn sie nirgends hinkönnen“, sagt ihre Mutter Anna, „passen sie sich der Situation an. Sie zeigen da keine große Traurigkeit.“ Anna (Name der Redaktion bekannt) erstaunt viel, was ihre Kinder sagen. Ihre Tochter finde, die Impfung gegen Corona werde sie unfruchtbar machen. Ihr Sohn meine, Corona könne ihm nicht schaden, er habe ein gutes Immunsystem. „Das sind Argumente von Erwachsenen“, sagt Anna. „Und ich weiß, wo sie herkommen.“

Anna hätte ihre beiden Kinder gern geimpft. Ihr Ex-Partner und Vater will das auf jeden Fall verhindern. Die Kinder, so schildert es die Mutter, leben in zwei verschiedenen Welten, „sie sind zerrissen“. So sehr sie sich selbst da rausnehmen und nicht mehr Druck auf die beiden erzeugen wolle, so sehr habe der Vater dagegen gearbeitet. Ein „gravierender Impfgegner“, der mit allerlei Verschwörungstheorien auf die Kinder eingewirkt habe. Broschüren, die sie ihrer Tochter und ihrem Sohn hinlege, würden diese ignorieren. Argumente verfliegen in der Luft. „Da habe ich derzeit keine Chance“, sagt Anna, „weil die Kinder wissen: Wenn sie sich impfen lassen, haben sie ein massives Problem mit ihrem Vater.“

Eltern, die sich nicht einigen können: Sollen die Kinder geimpft werden oder nicht? Das Konfliktpotenzial, das in einer derartigen Konstellation liegt, zeigt sich mit jedem Tag mehr. Im kanadischen Québec hat ein Gericht einem impfskeptischen Vater einstweilen das Sorgerecht entzogen. Über soziale Medien habe sich der Mann gegen jegliche Gesundheits- und Vorsichtsmaßnahmen ausgesprochen, ein bedenkliches Umfeld für das Kind, so der Richter. In Spanien ist eine Mutter mit ihren beiden Kindern ganze zwei Monate untergetaucht, weil der Vater die beiden Minderjährigen impfen lassen wollte. Erst vergangene Woche stellte sich die Impfgegnerin den Behörden in Sevilla; bereits vor ihrer „Flucht“ hatte ein Gericht dem Vater recht gegeben. Zwei drastische Fälle, die sich zudem in Ländern abgespielt haben, wo die Impfbereitschaft grundsätzlich sehr hoch ist. Konflikte schwelen auch hierzulande, ja sie nehmen zu, belasten insbesondere Ex-Paare, die ohnehin keinen guten Draht mehr zueinander haben. Wenn Eltern oder Elternteile zu Reinhold Kerbl kommen, dann sind sie häufig getrennt, teilen sich aber das Sorgerecht. „Eltern, die noch ein Paar sind“, sagt der Kinderarzt und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, „streiten sich in der Regel zusammen.“

Eigener Impfplan. Alle möglichen Argumente hört Kerbl von Eltern und Jugendlichen, was die Impfung anrichten könne, wohin sie führe, was sie im Körper zerstöre. Reagieren könne er nur mit Sachlichkeit, Daten und Fakten. „Ich zeige, was die Impfung insbesondere in einer Phase der Hochinzidenz bewirkt. Und sage ehrlich dazu, dass ich Spätwirkungen nicht definitiv ausschließen kann. Ich sage aber auch, dass sie aus den Erfahrungen anderer Impfungen unwahrscheinlich sind.“ Kerbl hat es oft mit skeptischen Eltern zu tun, das Thema geht über Covid-19 hinaus. Oft sind es Eltern, die von sich aus den Plan des Nationalen Impfgremiums modifizieren, den Kindern nur einen Teil der Masernimpfung geben lassen, oder sich beispielsweise mit der HPV-Impfung (Gebärmutterhalskrebs) gar nicht erst befassen.

Oftmals empfinden die Eltern, so der Kinderarzt, dass viele Impfungen innerhalb kurzer Zeit dem Kind schaden würden. Oder sie entscheiden sich gegen den Schutz, weil das Vakzin selbst zu bezahlen ist. Einen guten Impf-Durchschnitt sieht Kerbl bei den im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Untersuchungen samt Impfungen sowie gegen FSME. Hier scheinen die vielen Aufklärungskampagnen sowie die Plakate mit den schauerlich abgebildeten Zecken Wirkung zu zeigen.

Und dann gibt es immer jene Eltern(teile), die sagen, es sei besser, die Krankheit durchzumachen, als die Impfung. Für Corona wird gern das Argument ins Treffen geführt, dass man über die Folgen noch sehr wenig wisse. Dem widerspricht Kerbl: „Es stimmt nicht, dass es wenig Erfahrung gibt. Die Covid-Impfstoffe wurden ja nicht schlechter untersucht.“ Lediglich einzelne Phasen der Impfstoffentwicklung seien infolge der Dringlichkeit zusammengedrängt worden; das mache den Impfstoff eben nicht schlechter.

Manchmal erlebe Kerbl, dass ein Elternteil die Kinder heimlich impfen lasse, weil es mit dem Partner einfach zu keiner Einigung komme. Eine Beobachtung, die mit Corona wohl zunehmen wird.

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