„Grillparzer stand immer auf der Seite der Individuen“, gegen das gewinnende System (Martin Kušej): Tobias Moretti in „König Ottokars Glück und Ende“ (2005).
Franz Grillparzer

Wer war Grillparzer, bevor er resignierte?

Erst die Nachwelt machte ihn zum Reaktionär: Der Dichter Franz Grillparzer starb am 21. Jänner vor 150 Jahren. Über einen Freiheitsfreund, Feministen – und Zerrissenen.

Rosa Luxemburg sah in ihm den „reinsten Shakespeare“, Friedrich Engels einen „edlen, freien Geist, dem die österreichische Zensur eine unerträgliche Last ist“. Heine schätzte ihn in den 1830er-Jahren sehr. Und einige der besten Gedanken über Franz Grillparzer stammen aus der Feder eines in der Vor- und Nachkriegszeit führenden österreichischen Kommunisten.Das heißt nicht, dass der neben Nestroy wichtigste österreichische Dramatiker des 19. Jahrhunderts ein Revolutionär war. Er war aber auch nicht der Reaktionär, zu dem ihn das zur kleinen Demokratie geschrumpfte Österreich gemacht hat. Man schneiderte sich eine österreichische Identität – unter anderem mittels selektiver Grillparzer-Rezeption. Ein Mythos, der bis heute ein Eigenleben führt, auch wenn Regisseure wie Peter Stein oder Martin Kušej diesen Dichter längst anders gezeichnet haben.

Damit wurde ein Schriftsteller zum Restaurationsapologeten stilisiert, der das repressive System Metternichs („ein ausgezeichneter Diplomat und ein schlechter Politiker“) verabscheute. „Die Zensur hat mich umgebracht“, klagte er 1823 dem auch wegen seiner Freiheitsideale von ihm verehrten Beethoven. Sich selbst warf er in einem fiktiven Brief vor, „die Partei deines Vaterlandes“ zu nehmen, obwohl „dieses Stehenbleiben, dieses Nichtweiterschreiten auf dem Pfade der Entwicklung (. . .) ein Verbrechen an der Menschheit“ sei. 1830 empörte er sich im Tagebuch über den „schändlichen Machiavellismus der Staatslenker, die, damit die Herrscherfamilie der einzige Staatsverband sei, die wechselseitige Nationalabneigung der einzelnen Provinzen hegten und nährten“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.