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Immer mehr Müll im Meer

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Die steigenden Mengen an Abfall lassen auch die Müllstrudel im Meer weiter wachsen. Wie Forscher nun herausgefunden haben, wird der Müll über Tausende Kilometer transportiert.

In den Ozeanen schwimmt eine gigantische Menge Müll. Dieser sammelt sich an bestimmten Stellen, sogenannten „garbage patches“, an: Diese „Müllflecken“ befinden sich im Zentrum großräumiger Meereszirkulationen im Nord- und Südatlantik, im Nord- und Südpazifik sowie im südlichen Indischen Ozean. Dazu kommt noch ein sechster Müll-Hotspot im Mittelmeer.

Wie eine Forschergruppe um Walter Leal Filho (HAW Hamburg) mit österreichischer Beteiligung nun in einem Überblicksartikel gezeigt hat, gleicht keine dieser Verschmutzungszonen einer anderen. Während etwa der größte „garbage patch“ im Nordpazifik zur Hälfte aus herrenlos treibenden Fischfanggeräten (z. B. „Geisternetzen“) besteht, ist der kleinste (im Südatlantik) durch Müll geprägt, der von Schiffen stammt (Plastikflaschen etc.). Der Strudel im Indischen Ozean wird hingegen von Abfällen gespeist, der durch Flüsse in Südasien ins Meer gespült werden. Ähnlich ist das beim nordatlantischen Müllstrudel (mit Abfall aus Europa und Nordamerika). Was allen gemeinsam ist: Sie wachsen – und zwar um rund 2,5 Prozent pro Jahr (Journal of Marine Science and Engineering 9, 1289).

Der Artikel zeigt einmal mehr, dass es noch große Wissenslücken gibt. Was passiert langfristig mit dem Müll im Meer? Sinkt er zur Gänze auf den Meeresgrund? Wird zumindest ein Teil biologisch abgebaut? Wie gefährlich ist er für Lebewesen im Meer – und für uns Menschen? Definitive Antworten darauf hat derzeit niemand.

Immerhin konnten kürzlich mehrere Forschergruppen etwas Licht in die Dynamik des großräumigen Mülltransports im Wasser bringen. Am Beispiel des indischen „garbage patch“ zeigte sie, dass dieser den eingefangenen Müll nicht allzu fest an sich bindet. Bei ungewöhnlichen Windbedingungen können Teile auch in den (stabileren) nordpazifischen oder südatlantischen Müllstrudel überwechseln – wobei die Partikel Tausende Kilometer zurücklegen (Ph. Miron et al., Chaos 31, 033101; Ch. Pattiaratchi et al., Ocean Science 18, 1).

Eine weitere Erkenntnis aus diesen Untersuchungen wirkt auf den ersten Blick paradox: Die Müllstrudel helfen dabei, die Küsten sauberer zu halten. In Regionen, wo sich wegen der Verteilung der Landmassen und der Meeresströmungen keine „garbage patches“ ausbilden können, werden die ins Meer eingetragenen Abfälle von Wind und Wellen an die Küsten getrieben und dort abgelagert. Die Müllstrudel hingegen halten den Abfall auf hoher See „gefangen“ – außerhalb unseres Blicks.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2022)

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