Staatsballett

Liebe, Walzer und Minimalismus

Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
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Der Ballettabend „Liebeslieder“ vereint Jerome Robbins, Lucinda Childs und George Balanchine an der Staatsoper. Ein Abend zwischen rosa Brille und Geometrie.

Es ist ein Abend der Kontraste. Zwei Stücke, in denen es um die Liebe, um klassischen Tanz, um den Wiener Walzer geht, die sich dem Zuschauer und vor allem -hörer mit Live-Klavier und betörenden Singstimmen leise und ergreifend nähern, die ihn mitnehmen in eine romantische Szenerie, laden dazu ein, sich in eskapistischer Manier einfach wegzuträumen in eine Welt, wie man sie durch die rosa Brille sieht. Doch dann, als zweites Stück, noch vor der Pause, drängt sich wie ein kecker Eindringling Lucinda Childs „Concerto“ dazwischen. Das Cembalokonzert von Henryk Mikołaj Górecki hämmert laut vom Band und konterkariert den Wohlfühlmoment, den man eben noch mit Jerome Robbins „Other Dances“ erlebte.

Als wollte Childs dem Staatsopernpublikum zurufen: Hallo, ich bin endlich da! Tatsächlich ist es die erste Zusammenarbeit der mittlerweile 81jährigen Ikone des Postmodern Dance mit dem Wiener Staatsballett. Die sich wiederholenden Bewegungsschleifen ihrer Choreografie, die fast wie in Trance immer wieder durchgegangen werden, oft in gegenläufigen Bewegungen zu anderen Paaren oder Gruppen, die geometrische Aufstellung, die minimalistische Architektur dieses Stückes fordern von den sieben Tänzerinnen und Tänzern ein Höchstmaß an Präzision und Können im zeitgenössischen Fach. Lucinda Childs, die an diesem denkwürdigen Abend persönlich anwesend war, wurde nicht enttäuscht.

Glücklich auf der Bühne: Hyo-Jung Kang

Zuvor vermittelt Jerome Robbins „Other Dances“, das er einst anlässlich einer Benefizgala den zwei Ausnahmetänzern Natalia Makarova und Mikhail Baryshnikov auf den Leib choreografierte, jauchzende Verliebtheit. Es ist ein zarter Einstig in diesen Ballettabend, vorgetragen vom sprung- und ausdrucksstarken Davide Dato und einer neuen Ersten Solistin des Wiener Staatsballetts, der quirligen und mit fließenden Bewegungen überzeugenden Hyo-Jung Kang. Sie hat das Zeug, wie Dato zu einem Wiener Publikumsliebling zu werden, so unverfälscht glücklich wirkt sie, wenn sie auf der Bühne ihre Kunst vollführt.

Die beiden sind ein schönes Paar, sie loten tänzerisch ebenso gekonnt wie locker alle Changierungen des Liebestaumels aus. Und Robbins stellt ihnen den Pianisten im direkten Dialog zur Seite: Der Flügel steht auf der Bühne. Igor Zapravdin begleitet dieses beschwingte klassische Ballett, in das Volkstanz-Vokabular eingestreut ist, mit romantischen Mazurka- und Walzer-Klängen Frédéric Chopins. Ein lockerer, fröhlicher Auftakt.

Ein Balanchine, wie gemacht für Wien

Am Ende des Abends geht es um die berauschende Walzerseligkeit der Wiener Balltradition: George Balanchines „Liebeslieder Walzer“ sind wie gemacht für die Wiener Bühne – und wecken die Sehnsucht nach vergnüglichen Begegnungen am Tanzparkett, die uns heuer wieder verwehrt bleiben.

Auch bei diesem Stück ist der Orchestergraben leer. Wieder steht das Klavier auf der wie ein eleganter Salon eingerichteten Bühne – vierhändig gespielt von Sarah Tysman und Stephen Hopkins. Dazu lassen Johanna Wallroth (Soran), Stephanie Maitland (Alt), Hiroshi Amako (Tenor) und Ilja Kazakov (Bass) mit Johannes Brahms Liebeslied-Zyklus aufhorchen: Da geht's um „Liebe, Lust und Leide“, das klingt sehnsuchtsvoll und berührend. Balanchine choreografiert dazu subtile Walzer, die vier herausragende Tanzpaare mit Gefühl und Präzision darbieten. Das Publikum war so entzückt, dass es nach jedem Lied applaudierte, was leider die bezaubernde Stimmung immer wieder unterbrach. Sei's drum.

Nächste Vorstellungen: 24., 28., 31.1.; 3., 21., 26.2. und 1.3.

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