Ski-Weltcup

Braathen fährt im Wengen-Slalom von Rang 29 zum Sieg

Lucas Braathen
Lucas BraathenREUTERS
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Lucas Braathen legte eine Aufholjagd für die Geschichtsbücher hin. Es war eine besonders emotionale Revanche für den Norweger. Fabio Gstrein wurde vor Manuel Feller Vierter.

Wengen/Wien. Die Hochschaubahn der Gefühle, sie rast aktuell mit Lucas Braathen im Eiltempo durch den Skiweltcup. Vor gerade einmal einer Woche fand sich der Norweger auf dem Boden seiner Skiwelt. Im Riesentorlauf in Adelboden sorgte er für Staunen, als er im zweiten Durchgang freiwillig vor dem Steilhang abschwang.

„Ich hatte Angst“, gab der 21-Jährige danach zu Protokoll. Dort auf dem Chuenisbärgli hatte sich Braathen ein Jahr zuvor am Knie verletzt, der Seitenbandriss bedeutete das vorzeitige Ende der Saison, die mit dem RTL-Sieg in Sölden, seinem ersten im Weltcup, wenige Monate zuvor noch so hoffnungsfroh begonnen hatte.

Es waren also überschaubare Erwartungen, mit denen Braathen nach Wengen weiterreiste – und es endete mit einer Fahrt in die Geschichtsbücher: Aus Rang 29 nach dem ersten Durchgang wurde am Ende der zweite Weltcupsieg. Es war dies die größte Aufholjagd, die die Slalomgeschichte je gesehen hatte. Bislang hielt der Schweizer Marc Berthod, der 2007 in Adelboden von 27 auf eins gefahren war, diese Bestmarke. „Crazy“, stammelte der Sieger ins Mikrofon. „Ich hätte nicht geglaubt, dass das möglich ist.“

Das Glück kommt zurück

Auf das Comeback hatte sich Braathen im Sommer unter anderem mit einem ungewöhnlichen Trainingscamp beim Küstenjägerkommando der norwegischen Marine vorbereitet, das sollte nicht nur den Körper, sondern vor allem auch den Geist für den Olympiawinter schärfen. Von einer „kulturbildenden Erfahrung“ sprach der Technikspezialist, dessen Mutter aus Brasilien stammt, und ließ mit Platz sieben in Sölden sogleich aufhorchen. Doch kein Weg zurück ohne Hindernisse, wie auch er in Adelboden erfahren musste.

Ungläubig schüttelte also in Wengen der wartende Braathen im Zielbereich immer wieder den Kopf, verbarg die Emotionen hinter der Sonnenbrille. Er hatte sich schon auf dem Weg zum Zug machen wollen, erzählte er danach, als sein Teamkollege Sebastian Foss-Solevåg ihn auf die Qualifikation für das Finale aufmerksam machte. Selbstvertrauen holen war die erklärte Devise. „Ich hatte das Gefühl, das ist schnell, das ist stabil, aber nicht, dass es für die Top Ten reicht“, meinte er zu seinem Lauf. Doch ein Konkurrent nach dem anderen verspielte auf dem vom Franzosen Simone Deldio gesteckten Kurs seinen Vorsprung, bei Manuel Feller, zur Halbzeit noch Zweiter, genügten selbst 1,78 Sekunden Vorsprung nicht.

Damit Märchen manchmal Wirklichkeit werden, braucht es freilich auch das nötige Glück. Das hatte Braathen am Sonntag, als sein zur Halbzeit führender Landsmann Henrik Kristoffersen auf dem Weg zum Sieg vier Tore vor dem Ziel einfädelte. Während dieser fassungslos davonstapfte, rang sein 21-jähriger Teamkollege nach der Rekordfahrt sichtbar nach Worten. „Alles heute war ein Bonus“, sagte er und mit dem Blick zurück auf Adelboden. „Das war ein schweres Rennen und jetzt eine gute Revanche.“

Einen weiteren Rekord markierte Giuliano Razzoli. Der Olympiasieger aus Italien stand als Dritter hinter Braathen und Daniel Yule (SUI) mit 37 Jahren und 2 Tagen als ältester Fahrer in einem Slalom auf dem Podest.

Der Abstand zum Limit

Eine Fahrt „nicht genug am Limit“ attestierte sich Feller, der auf dem fünften Rang landete, unmittelbar hinter Fabio Gstrein. Der Tiroler stieg mit zweitbester Laufzeit im zweiten Durchgang vom 17. Zwischenrang noch zum besten ÖSV-Athleten auf, und schrieb mit dem besten Slalomergebnis seiner Karriere an. Der 24-Jährige hatte nach einem schweren Fehler in der Pause noch mit sich selbst als „Pfeifenkopf“ gehadert.

Die umgekehrte Gefühlslage zu Braathen erlebte Johannes Strolz. Vor sieben Tagen noch Sensationssieger in Adelboden, erreichte er diesmal das Ziel nicht. „Es ärgert mich, aber ich muss schon daran zurückdenken, wo ich herkomme“, sagte der Vorarlberger, der zwischenzeitlich schon aus dem ÖSV-Kader gefallen war, und blickte nach vorn. „Bis dahin bin ich gut gefahren. Es nützt nichts, ich muss riskieren.“

Marco Schwarz (10.) und Michael Matt (11.) verbuchten jeweils ihre besten Saisonresultate, Christian Hirschbühl schied hingegen mit Verdacht auf eine Knöchelverletzung aus. Das Rennen um die Olympiatickets für Peking geht mit den Klassikern in Kitzbühel kommende Woche und dem Nightrace in Schladming in die finale Phase.

1. Lucas Braathen (NOR) 1:41,48 Min.
2. Daniel Yule (SUI) +0,22 Sek.
3. Giuliano Razzoli (ITA) +0,29
4. Fabio Gstrein (AUT) +0,32, 5. Manuel Feller (AUT) +0,39, 6. Sebastian Foss-Solevåg (NOR) +0,40, 7. Loïc Meillard (SUI) +0,41, 8. Clément Noël (FRA) +0,51. Weiters: 10. Marco Schwarz +1,23, 11. Michael Matt +1,24.
Slalomweltcup: Foss-Solevåg (180) vor Yule (162).
Gesamtweltcup: Odermatt (SUI/1075) vor Aamodt Kilde (NOR/685) und Mayer (AUT/592).

(APA)

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