Mit Federn, Haut und Haar

Den Naturschutz müssen sich kleine Bauern auch leisten können

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Ein Bauer schildert, dass er vor 35 Jahren für einen Liter Milch sieben Schilling bekam, heute 50 Cent für Bioqualität; für eine Kuh 25.000 Schilling, heute 1800 Euro; für einen Festmeter Holz 2000 Schilling, heute 110 Euro.

Seit der Leibeigenschaft waren traditionelle Bauern nie unfreier als heute. Kaum einem anderen Berufsstand wurde in den vergangenen Jahrzehnten derart übel mitgespielt. Denn im neoliberalen System ist ein Bauernhof ein Produktionsbetrieb – und sonst nichts.
Versorgungssicherheit, Regionalität, Qualität, Öko-Bio und extensives Wirtschaften – who cares? Gefördert wird vor allem Betriebsgröße, während die Erzeugerpreise immer weiter sinken. Das anhaltende Sterben der Kleinen wird offenbar billigend in Kauf genommen.

Die prekäre Lage beschreibt ein Tiroler Bauer in seinem Brief vom November 2021 an die Funktionäre des Tiroler Bauernbundes: Seit vielen Generationen bewirtschaftet seine Familie einen Hof, den er intakt an seine Nachkommen weitergeben möchte – es wird aber immer enger. Als 16-Jähriger übernahm er den Hof vor 35 Jahren. Damals gab es für einen Liter Milch sieben Schilling, heute bekommt er 50 Cent für Bioqualität. Eine Kuh mittlerer Qualität brachte damals 25.000 Schilling, heute 1800 Euro, ein Festmeter Holz 2000 Schilling, heute 110 Euro. Der Kaufkraftverlust seit 1986 beträgt übrigens 44 Prozent, Kommentar überflüssig.

Obwohl dem leidenschaftlichen Bauern – wie er schreibt – Umwelt- und Tierschutz sowie Kreislaufwirtschaft immer Alltag waren, muss er sich heute für alles rechtfertigen und sich als Umweltverschmutzer und Tierquäler diffamieren lassen. Von der Gängelung durch eine Bürokratie der Sonderklasse ganz zu schweigen. Er fragt, wofür der Bauernbund eigentlich gegründet wurde – um die Funktionäre zu nähren, oder um die Bauernfamilien in wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht zu vertreten? Eine rhetorische Frage, denn tatsächlich wird seine Zunft durch die Agrarpolitik der EU, unseres Staates, von Kammer und Bund systematisch erwürgt. Neue Unbill droht den Biobauern übrigens durch ÖPUL (Österreichisches Programm für umweltgerechte Landwirtschaft) ab 2023: Wie einer Stellungnahme der Bio Austria zu entnehmen ist, werden bei geringeren Abgeltungen Aufwand und Bürokratie weiter steigen – im Endeffekt wird Bio abgewertet. Viele kleine Bauern wird das ihre Existenz kosten.

Vordergründig haben Bauern eine starke Lobby, wie das erneuerte Dieselprivileg zeigt. Dennoch läuft die Politik für sie grundfalsch. Das ist auch deswegen katastrophal, weil sich ihre Arbeit unmittelbar auf Biodiversität und Klima auswirkt. Die Degradation der Natur und den Crash der Artenvielfalt verdanken wir vor allem einer durch neoliberale Polit- und Förderregimes erzwungenen Intensivierung. Eine Umkehr ist nur zu schaffen, wenn sich die Land- und Forstwirte den Naturschutz auch leisten können. Es braucht kostendeckende Erzeugerpreise und eine Förderung extensiven Wirtschaftens, von Qualität, von Biodiversität und Klima, nicht aber von Chemie und Masse. Gern flüchtet man in billige Ausreden, statt das System grundlegend zu reformieren. So wird der Wolf taxfrei zum „Totengräber der Almwirtschaft“ gestempelt, zum Sündenbock für eine grundfalsche Agrarpolitik, um von einer auch ökologisch völlig verfehlten Politik abzulenken. Schon viel zu lang setzt man die kleinen Bauern in kaum verhüllter Absicht zur „Flurbereinigung“ dem Regen aus – und schädigt damit Natur und Klima.

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