Gastbeitrag

Europarecht begrenzt Zugriff auf Handydaten

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Nicht nur Strafprozessordnung und Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung stehen dem behördlichen Entsperren entgegen, sondern auch ein Urteil des EuGH.

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Wien. Im letztwöchigen Rechtspanorama haben Schönborn/Seidl Bedenken geäußert, dass die zwangsweise Entsperrung von Mobiltelefonen, die bei Beschuldigten eines Strafverfahrens sichergestellt worden sind, weder durch die Strafprozessordnung (StPO) gedeckt ist noch dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung entspricht; zudem haben sie die rechtspolitische Forderung nach einer begrenzenden gesetzlichen Regelung erhoben.

Das Auslesen sichergestellter Mobiltelefone muss sich aber auch am Europarecht messen lassen: Die – auch als E-Privacy-Richtlinie (RL) bezeichnete – Datenschutz-RL für elektronische Kommunikation 2002/58/EG verpflichtet nämlich in Art 5 die Mitgliedstaaten dazu, die Vertraulichkeit der Kommunikation sicherzustellen. Ausnahmen sind gemäß Art 15 Abs 1 der RL nur im Interesse bestimmter Schutzgüter nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zulässig.

Konfliktzone Vorratsdaten

Dazu existiert die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH: So hat der EuGH dem Versuch mancher EU-Mitgliedstaaten, trotz Nichtigerklärung der EU-Vorratsdatenspeicherungs-RL durch den EuGH (in den Rechtssachen C-393/12 und C-594/12 Digital Rights Ireland und Seitlinger) dennoch eine generelle Vorratsdatenspeicherung zu implementieren, eine Absage erteilt (z. B. C-203/15 Tele2 Sverige). Abgelehnt hat er auch ein umfassendes Screening von Kommunikationsdaten durch Nachrichtendienste (C-510/18 La Quadrature du Net).

Für das hier behandelte Thema besonders relevant ist indes das Urteil des EuGH vom 2. März 2021 in der Rechtssache C-746/18 Prokuratuur, dem ein Vorabentscheidungsersuchen des estnischen OGH zugrunde liegt: Danach sind nationale Regelungen, die den Strafverfolgungsbehörden Zugang zu Daten elektronischer Kommunikation gewähren, nur dann mit Art 15 Abs 1 RL 2002/58/EG im Licht der Grundrechte auf Privat- und Familienleben, Datenschutz sowie Meinungs- und Informationsfreiheit nach der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar, wenn der Zugang auf Verfahren zur Bekämpfung schwerer Kriminalität oder zur Verhütung ernster Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beschränkt ist; der Zugang muss sich zudem nach Maßgabe der konkreten Umstände auf das für die fraglichen Ermittlungen absolut Notwendige beschränken.

Auch ist es laut dem Urteil Prokuratuur mit den vorangeführten Rechtsgrundlagen unvereinbar, wenn der Staatsanwalt angesichts seiner Funktion als Leiter des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und gegebenenfalls spätere Anklagebehörde selbst über den Zugang zu den Daten entscheidet. Die gebotene Beschränkung des Zugangs auf das absolut Notwendige sei nämlich nur durch das Erfordernis der Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Stelle gewährleistet, die ihre Entscheidung zu begründen haben.

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