Mikrochips

Wie abhängig China von Taiwan ist

Taiwan rüstet seine Armee vor Aggressionen aus Peking. Taipei sieht seine Halbleiterindustrie in Gefahr.
Taiwan rüstet seine Armee vor Aggressionen aus Peking. Taipei sieht seine Halbleiterindustrie in Gefahr. Reuters/Ann Wang
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Die Insel ist der wichtigste Halbleiterproduzent der Welt. Kann die Marktführerschaft einen Militärschlag Pekings verhindern?

Wien/Taipei. Es begann mit Sojamilch und Dampfbroten: Als sich 1974 taiwanische Beamte und der Vertreter einer US-Techfirma zu einem Frühstück in einem Taipeier Lokal trafen, ebneten sie den Weg für Taiwans Aufstieg zum wichtigsten Mikrochip-Produzenten der Welt. Heute steht die Inselrepublik an der Front im Rennen um die digitale Vorherrschaft zwischen den USA und China. Denn in der Produktion von Halbleitern, der „DNA der Technologie“ wie es in einem Bericht des Weißen Hauses heißt, sind die Vereinigten Staaten und noch viel mehr die Volksrepublik auf Taiwan angewiesen.

Mikrochips sind essenziell – für Autos, Handys, Medizintechnik oder Waffensysteme. Das Wissen über ihre Herstellung ist so gefragt wie nie zuvor: Die steigende Nachfrage aufgrund der Digitalisierung, Rohstoffknappheit, Lieferengpässe infolge der Coronakrise und der sich zuspitzende Konflikt zwischen den beiden Großmächten machen die globalen Abhängigkeiten deutlich.

China hinkt hinterher

Weltweit setzen Tech-Konzerne für ihre modernsten Produkte vor allem auf ein Unternehmen: TSMC, kurz für Taiwan Semiconductor Manufacturing Comp. Der Weltmarktführer produziert mehr als 90 Prozent der fortschrittlichsten Halbleiter. Damit liegt TSMC weit abgeschlagen vor seinem direkten koreanischen Konkurrenten Samsung. Es sind die einzigen zwei Firmen weltweit, die Mikrochips unter einer Größe von zehn Nanometern, also Millionstel von Millimetern, produzieren können. Die Größe zählt: Halbleiter beinhalten Milliarden elektronischer Komponenten. Das Ziel ist, immer kleinere Transistoren, gemessen in Nanometern, auf immer weniger Fläche unterzubringen. Je kleiner, desto mehr Leistung bei gleichem Energieverbrauch.

Der Bedarf an Halbleitern in der Volksrepublik ist enorm. Doch einen Großteil muss die aufstrebende Großmacht importieren, insbesonders Taiwan. 2021 waren rund die Hälfte der taiwanischen Exporte nach China Halbleiter. Selbst Chinas größter Fabrikant Semiconductor Manufacturing International Corporation oder SMIC hinkt TSMC Jahre hinterher.

Das hat auch geopolitische Gründe. Washington und seine Verbündete verhindern seit Jahrzehnten, dass China an Halbleiter-Technologie gelangt. Sie wollen dem KP-Regime so die Entwicklung fortschrittlicher Waffen erschweren. Den US-Alliierten kommt hier die komplexe Wertschöpfungskette zugute: Ein typischer Halbleiter wird in den USA designt, in Taiwan mit Chemikalien aus Japan und Deutschland sowie Maschinen aus den Niederlanden gefertigt und in Festlandchina komplettiert.

Im sich zuspitzenden Machtspiel mit Peking nutzt Washington die Verwobenheit zu seinen Gunsten: Exportkontrollen für Halbleiter werden zur Waffe. Auf US-Druck liefert das führende niederländische Unternehmen ASML, dessen Maschinen für die Herstellung innovativer Chips grundlegend sind, nicht an SMIC. Die Chinesen sind damit gezwungen, größere Halbleiter, die vor allem in der Unterhaltungselektronik eingesetzt werden, zu produzieren. Auch TSMC beugte sich den Vorgaben. Es gab 2020 seinen zweitgrößten Kunden Huawei auf. Der einstige Telekom-Riese wurde ohne Taiwans Know-how praktisch vernichtet.

Ohne Frieden keine Chips

Chinas Rückstand ist auch hausgemacht. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung seien zu niedrig, so eine Studie des deutschen China-Forschungsinstituts Merics. Zudem fehle es an qualifiziertem Personal. Nach wie vor stammten Top-Ingenieure in chinesischen Mikrochip-Fabriken aus Taiwan, Japan oder Südkorea. Eine nationale Halbleiter-Elite aufzubauen, werde noch Jahre dauern. Genau diese Fachkräfte gelten als Taiwans größter Trumpf.

Doch Peking ist entschlossen, bis 2025 den Großteil seines Mikrochipbedarfs selbst zu decken und investiert dafür Milliarden. Bis das ambitionierte Vorhaben erreicht ist, bleibt China in der technologischen Entwicklung vom Inselstaat abhängig. Daher kursieren seit Monaten wilde Spekulationen, ob Xi Jinping angesichts der drohenden Kollateralschäden für die taiwanische Halbleiterindustrie derzeit einen Militärschlag wagen würde. Es ist das erklärte Ziel des Staats- und Parteichefs, die „abtrünnige Provinz“ wiederzuvereinigen.

In einem Bericht des US-Senats bezeichnete ein hoher Pentagon-Beamter Mikrochips als einen Grund, warum die Sicherheit Taiwans für die USA „so wichtig“ sei. Selbst die Regierung in Taipei bemüht diese Argumentationslinie angesichts steigender Aggressionen aus Peking: Frieden entlang der Taiwan-Straße sei wichtig, um die globale Versorgung mit Halbleitern zu gewährleisten.

Obwohl die USA führend bei Entwicklung und Design von Mikrochips sind, setzen auch sie auf mehr Autarkie. TSMC baut derzeit ein Werk in Arizona. Ein Wegfall taiwanischer Halbleiter würde ihre militärische und technologische Vormachtstellung bedrohen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2022)

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