Covid-19

Drei Phasen der Impfpflicht: "Warum diese Pseudomaßnahme?"

Die Impfpflicht kommt ab Anfang Februar - in drei Phasen.
Die Impfpflicht kommt ab Anfang Februar - in drei Phasen.APA/dpa/Roberto Pfeil
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Die Impfpflicht sollte „kein Drüberfahren sein“, versicherte die Bundesregierung. Als gute Entscheidung, auf mehrere Anliegen einzugehen, bezeichnet dies Zivilrechtlerin Christiane Wendehorst. Für Irmgard Griss ergibt die Einführung in drei Phasen keinen Sinn.

Die Regierung hat am Wochenende den Gesetzesentwurf für die Impfpflicht gegen das Coronavirus präsentiert. Sie tritt mit Anfang Februar in Kraft, allerdings erst mit einer „Eingangsphase". Kontrolliert und gestraft wird aber erst ab Mitte März. Die Begutachtung für den Gesetzesentwurf, die erst wenige Tage davor zu Ende gegangen war, hatte einen Rekord an Stellungnahmen eingebracht. Man habe diese berücksichtigt und habe Bedenken „sehr ernst genommen“, bekräftigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Abend in der „ZiB 2 am Sonntag“. Die Impfpflicht solle schließlich „kein Drüberfahren“ sein, sondern „ein Mitnehmen auf dem Weg, gemeinsam unsere Freiheit wieder zurückzuerhalten“.

Ob sie vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) standhält? Davon gehe er aus, schließlich wurden Verfassungsexpertinnen in den Prozess eingebunden, sagte Nehammer. Ein Urteil könne er dennoch nicht vorwegnehmen, „das wäre ja wild, wenn ich jetzt schon sagen könnte, wie die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausgeht, dann würde ich ihn bevormunden“, sagte der Kanzler. Er könne aber versichern, dass man „nach bestem Wissen und Gewissen“ vorgegangen war.

Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien, die ebenfalls bei den heutigen Beratungen im Gesundheitsausschuss teilnehmen wird, sagte zum Gesetzesentwurf am Montag im Ö1-„Morgenjournal“ „Es ist natürlich ein Kompromiss, aber das halte ich auch für eine gute Entscheidung“. Eine Impfpflicht sei schließlich eine Maßnahme, die da Potenzial habe, „die Gesellschaft zu spalten". Es sei wichtig gewesen, auf alle Parteien zuzugehen, sie anzuhören, alle Stellungnahmen auszuwerten. „Das sieht man diesem Entwurf auch an“, so die Verfassungsrechtlerin.

Griss für Eilverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

Für Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, ist vieles im Gesetz aber noch undurchsichtig. „Man liest es so durch, aber so wirklich ausgekannt habe ich mich nicht“, sagte sie in der Diskussionssendung „Im Zentrum“ am Sonntagabend. Besonders stoße sie sich an der „seltsamen Regelung“ der Phasen. So passiere etwa in der „Eingangsphase“ nichts, „Leute sollten sich impfen lassen, wenn sie es nicht tun, gibt es auch keine Sanktion“, führte sie aus. Dann folgten „doppelte Sanktionen“, beschrieb es Griss.

Zur Erklärung: Ab Anfang Februar wird bis 15. März zunächst verstärkt informiert und aufgeklärt. Erst danach, ab 16. März, wird die Impfpflicht zum Kontrolldelikt, kontrolliert wird ab dann etwa im Rahmen von Kontrollen im Straßenverkehr. Zu diesem Zeitpunkt ist auch schon mit einer Anzeige und Strafen zu rechnen. Ab der dritten Phase - die nicht zwingend eintreten wird - bekommen Ungeimpfte einen Impftermin zugeordnet. Halten sie diesen nicht ein, bekommen sie automatisierte Impfstrafverfügungen ausgestellt.

„Warum wird dieser Zwischenraum überhaupt eingeführt?“, fragte Griss. Und weiter: „Warum nicht gleich so: ab 1. April gibt es auch Sanktionen?“ Man müsse dann eben zugeben, man habe noch nicht alle Daten, ein Datenabgleich sei noch nicht möglich. Aber: „Dann hilft diese Pseudomaßnahme mit 14 Tagen auch nicht viel, das hätte man sich sparen können“, sagte sie.

Außerdem empfehle sie dringend die Einführung von Eilverfahren beim Verfassungsgerichtshof, wie dies schon in Deutschland beim Bundesverfassungsgericht möglich sei. Eben, um dem erwarteten  juristischen Aufwand vorzubeugen. So könne binnen kürzester Zeit geprüft werden, „ist das zulässig oder ist das verfassungswidrig“. Nun sei die ideale Gelegenheit, um dies auch in Österreich einzuführen. Und zwar auch für andere Gesetze, die stark in die Grundrechte der Menschen eingreifen, sagte Griss.

>> Christiane Wendehorst im „Morgenjournal"
>> Irmgard Griss im „Im Zentrum"

(bsch)

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