Krisensymbol

Die "Weltunter­gangs­uhr" warnt seit 75 Jahren

Archivbild aus dem Jahr 1998, als Leonard Reiser, Mitglied des "Manhattan Projects" den Minutenzeiger von 14 auf 9 Minuten vor Mitternacht - ist gleich Weltuntergang - vorrückte.
Archivbild aus dem Jahr 1998, als Leonard Reiser, Mitglied des "Manhattan Projects" den Minutenzeiger von 14 auf 9 Minuten vor Mitternacht - ist gleich Weltuntergang - vorrückte.(c) Reuters Photographer
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Erst waren es Atomwaffen, dann Klimawandel und Pandemie, die die symbolischen Zeiger immer weiter Richtung Mitternacht trieben. Gewarnt wird jährlich, reagiert oder beachtet immer weniger.

Die "Weltuntergangsuhr" tickt nicht und ist auch sonst eigentlich gar keine richtige Uhr. Die "Doomsday Clock" ist ein von der 2013 verstorbenen US-Künstlerin Martyl Langsdorf erdachtes Design. Für die Fachzeitschrift der Atomwissenschafter, das "Bulletin of the Atomic Scientists", sollte Langsdorf, deren Ehemann Alexander im "Manhattan Project" der USA an der Entwicklung der Atombombe mitgearbeitet hatte, 1947 ein Titelbild entwerfen.

Sie entschied sich für das obere linke Viertel einer Uhr mit dem Zeiger sieben Minuten vor Mitternacht. Mit dem Titelbild wollten Langsdorf und die Herausgeber der Zeitschrift kurz nach den verheerenden Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki deutlich machen, wie groß die Gefahr durch die neue Waffentechnik sei und wie dringend sie in den Griff bekommen werden müsse. Seitdem bewerten Wissenschafter und Herausgeber des Mitteilungsblatts der Atomwissenschaftler den Stand des Minutenzeigers der Uhr jedes Jahr neu, um zu zeigen, für wie gefährdet sie den Fortbestand der Menschheit halten - angesichts von Atomwaffen, inzwischen aber auch angesichts von Klimawandel und weiteren Bedrohungen.

Atomkrieg, Erderwärmung, Coronavirus, Fake News

Am Donnerstag (20. Jänner) wollen die Wissenschafter den diesjährigen Stand verkünden, im 75. Jubiläumsjahr der "Doomsday Clock". Zuletzt hatten sie die Gefahren für die Menschheit als so groß eingeschätzt, dass schon gar nicht mehr in Minuten gerechnet werden konnten. Stand die Uhr noch 2018 und 2019 auf jeweils zwei Minuten vor Mitternacht, wurden ihr Zeiger 2020 erstmals auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgeschoben. Die Gefahr, dass sich die Menschheit durch einen Atomkrieg oder Klimawandel selbst auslösche, sei so groß wie niemals zuvor seit Erfindung der Uhr, hieß es zur Begründung. Mitternacht würde den Weltuntergang bedeuten. Als besonders gefährliche Faktoren sehen die Wissenschafter neben der Möglichkeit eines Atomkrieges inzwischen die Coronavirus-Pandemie sowie die Erderwärmung und digitale Falschinformationen an.

Auch 2021 wurden die Zeiger auf 100 Sekunden vor Mitternacht belassen. "Die Pandemie hat gezeigt, wie unvorbereitet und unwillig die Länder der Welt und das internationale System sind, wenn es darum geht, globale Notfälle richtig anzupacken", kommentierte die Präsidentin des "Bulletin of Atomic Scientists", Rachel Bronson.

1991 war der Weltuntergang etwas in die Ferne gerückt

Es gab aber auch schon optimistischere Zeiten in der Geschichte der "Doomsday Clock", deren Aussehen 2007 vom Grafikdesigner Michael Bierut noch einmal überarbeitet wurde und die seit 2019 auch in einer physischen Ausgabe in der Universität von Chicago zu sehen ist: Zum Ende des Kalten Krieges stand die Uhr 1991 auf 17 Minuten vor der vollen Stunde - die weiteste Entfernung von Mitternacht in der Geschichte der "Weltuntergangsuhr". "Die Illusion, dass Zehntausende Nuklearwaffen eine Garantie für die nationale Sicherheit seien, ist über Bord geworfen worden", hieß es erleichtert vom "Bulletin".

Seitdem aber rückte der Sekundenzeiger tendenziell eher wieder näher an Mitternacht heran - Atomwaffentests von Indien und Pakistan, die Unvorhersagbarkeit der US-Politik unter Ex-Präsident Donald Trump, nordkoreanische Raketentests und fehlende Abrüstungsverhandlungen trugen unter anderem ihren Teil dazu bei.

Die "Weltuntergangsuhr" ist kein wissenschaftliches Instrument, sondern ein rein symbolisches. Man sehe sich wie Ärzte, die eine Diagnose erstellten, und habe keine parteipolitische Agenda, betonen die Herausgeber des "Bulletin". Die Uhr bekommt jedes Jahr viel Aufmerksamkeit und Unterstützung - aber es gibt auch Skepsis und Kritik. Wenn man jedes Jahr immer wieder warne, höre dann überhaupt noch jemand zu?

(APA/dpa)

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