Gastkommentar

Omikron ist die Brücke zur politischen Gesichtswahrung

Peter Kufner
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Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für martialische Inszenierung und weitere Verschärfungen, sondern für Deeskalation.

Die Impfpflicht wurde aus einer politischen Not geboren: Am Höhepunkt der Delta-Welle musste man einer mehrheitlich geimpften Bevölkerung zur Vorweihnachtszeit einen neuerlichen Lockdown für alle verkaufen. Wir brauchten die Perspektive, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholt. Und dafür brauchte es offenbar auch Schuldige: Den Ungeimpften hätten wir diesen Schlamassel schließlich zu verdanken.
Heute, im Kontext von Omikron, haben wir es mit ganz anderen Voraussetzungen zu tun: Wir wissen zwar, dass uns die Impfung medizinisch immer noch gut vor schwerer Erkrankung schützt, aber eben auch, dass Geimpfte wesentlich zur Verbreitung des Virus beitragen. Dem Prognose-Konsortium zufolge hilft uns sogar das breit etablierte 2-G-Umfeld nicht mehr, um ein Durchrauschen der Omikron-Welle zu verhindern. Und nach vielen Monaten des Testens auf Weltmeister-Niveau fordern Experten wie der Infektiologe Günter Weiss, Direktor der Uniklinik für Innere Medizin in Innsbruck, angesichts der vergleichbaren Hospitalisierungs- und Sterbebilanz in anderen Ländern, einen reflektierten Blick auf unsere Coronapolitik. Wie zielführend sind unsere harten und kostspieligen Maßnahmen, wenn wir heute über mehr Coronatote pro Einwohner trauern als Schweden?

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Bisher einzigartiges Gesetz

Nun steht die gesetzliche Verankerung einer Covid-19-Impfpflicht für alle ab 18 Jahren bevor, ein EU-weit bislang einzigartiges Gesetz in dieser Krise. Experten sind sich einig, dass sie in Hinblick auf die Omikron-Welle keinen Nutzen mehr bringt. Es gehe jetzt aber um die Vorsorge für künftige Wellen. Allerdings: Deren Zeitpunkt und Mutationen kann heute noch gar niemand abschätzen. Man muss also dazu sagen: Die Durchimpfung mit den aktuellen Impfstoffen bleibt mit Blick auf künftige Varianten zunächst eine Spekulation. Der Einsatz für diese Spekulation sind unsere Grundrechte.

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