Essay

So sorry! Die (Un)Kultur der Entschuldigungen

Politiker, Wirtschaftsbosse, Popstars: Alle Welt entschuldigt sich neuerdings öffentlich. Woher kommt die Inflation an (behaupteter) Reue? Was ist daran erfreulich, was nervt? Über die seltsame Renaissance eines Rituals.

Erinnern Sie sich? Zum Start der Zehnerjahre hatte der japanische Autokonzern Toyota eine Pechsträhne mit klemmenden Gaspedalen und Bremsen. Der Chef, Akio Toyoda, befolgte das kulturell verankerte Zerknirschungsritual: Er schämte sich, bedauerte aufrichtig und verbog seinen Oberkörper. Aber es half nichts: Der Neigungswinkel war mit 45 Grad nicht ausreichend, was sofort Kritik auslöste. Erst einige Tage später vertiefte der demütige Manager seine tätige Reue auf die obligaten 60 Grad. Da war es um seinen Ruf bereits geschehen.

Seltsame Sitten, über die wir von oben herab lachen dürfen? Wenn in unseren Breiten eine Person des öffentlichen Interesses um Entschuldigung bittet, lauern Kommentatoren aller Formate auf Formulierung und Tonfall: Wie glaubwürdig sind die Worte? Wie viel echte Betroffenheit steckt darin? Wie präzise sprechen sie die Gemütslage der Gekränkten an? Stoff für solche Analysen gibt es genug. Der britische Premier Boris Johnson, sonst solch ein Raubein, entschuldigte sich in der Vorwoche gleich zwei Mal für die Coronapartys in Downing Street 10 – erst beim Parlament, dann bei der Queen.

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