Serbien

Osteuropa testet neue Formen der Medienzensur

Premierministerin Ana Brnabić kündigte an, "die Regierung werde mehr tun, um Lügen zu widerlegen".
Premierministerin Ana Brnabić kündigte an, "die Regierung werde mehr tun, um Lügen zu widerlegen".REUTERS
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Die Verfolgung von Journalisten hat Serbien in der Vergangenheit viel Kritik eingebracht. Unter dem Deckmantel der Pandemie werden nun neue Methoden zur Meinungsunterdrückung angewandt.

Dass Medien und Journalisten in Osteuropa oftmals im Kreuzfeuer der Kritik stehen, ist keine Seltenheit. Auch härtere Formen der Einschränkung bis hin zu Maulkörben für einzelne Medien oder Drohungen gegen Medienschaffende waren etwa in Serbien bisher keine Seltenheit. Die Inhaftierung oder sogar gezielte Ermordung von Journalisten, wie sie in den 1990er-Jahren unter Slobodan Milošević stattgefunden hat, ist passe. Präsident Aleksandar Vučić verwendet subtilere Methoden zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Journalisten sollen nun in erster Linie diskreditiert und in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert werden.

Ein unmoralisches Angebot

Insbesondere im audiovisuellen Bereich, der in Serbien nach wie vor große Beliebtheit genießt, hat in letzter Zeit einen Wandel erfahren. Immer mehr Fernsehsender berichten vornehmlich positiv über Vučić und seine Regierung. „Birodi“, eine unabhängige Forschungsgruppe, hat über einen Zeitraum von drei Monaten untersucht, wie die Parteien im serbischen Fernsehen dargestellt werden. 44 Stunden lang wurde über Vučić berichtet, wovon 87 auf positive Nachrichten verfielen. Die Opposition bekam hingegen nur 3 Stunden Sendezeit, von der ganze 83 Prozent Kritik waren.

Birodis Vorsitzender bezeichnet den Zustand in Serbien gegenüber der „New York Times“ als „großes, soziologisches Experiment“, das zeigen würde „inwiefern, Medien die öffentliche Meinung und Wahlen beeinflussen können“. Erst vor wenigen Tagen hat die serbische Telekom, die sich im Besitz der Regierung befindet, dem regierungskritischen Fernsehsender N1 ein unmoralisches Angebot gemacht. Für das 700fache des ursprünglichen Preises – ein astronomisch hoher Betrag – will die Telekom die Rechte für beliebte Fußballspiele abkaufen und dem Sender so die Zuseher und die Popularität zu nehmen.

Meinungsunterdrückung aber subtil

Den Grundstein für den neuen Umgang mit unerwünschten Meinungen legte jedoch wohl die Inhaftierung von Ana Lalić 2020. Die Journalistin hatte zu Beginn der Coronapandemie eine Reportage über die Lage in den Krankenhäusern Novi Sads geschrieben. Die Zustände seien prekär, war dort zu lesen, dem Personal fehle essenzielle Schutzausrüstung wie Masken und Handschuhe. Noch in derselben Nacht nach der Veröffentlichung klopfte die serbische Polizei an Lalićs Tür und führte die Frau ab. Sie hätte Panik und Unwahrheiten verbreitet, so der Vorwurf. 48 Stunden musste die Frau in Haft verbringen, ein Gerichtsverfahren hatte es zuvor nicht gegeben.

Nach ihrer Freilassung hatte Ana Lalić sogar eine offizielle Entschuldigung der Regierung erhalten. In den Wochen darauf wurde Lalić allerdings von regierungsnahen Medien massiv angegriffen und als Verräterin des Berufsstands dargestellt. Die serbische Premierministerin Ana Brnabić hatte sich gegenüber dem Sender N1 ebenfalls zum Vorfall geäußert: „Ich appelliere dazu, keine Menschen mehr zu verhaften – auch keine, die Lügen erzählen. Jeder soll seinen Job machen, und die Regierung wird mehr tun, um diese Lügen zu widerlegen.“ Was genau diese Lügen sind, bestimmt aber nach wie vor die Regierung.

Man bemüht sich, den Schein einer demokratischen Gesellschaft zu wahren, in der Meinungspluralismus zwar nicht großgeschrieben, aber immerhin toleriert wird. Hinter den Kulissen sieht es anders aus. Die Unabhängige Journalistenvereinigung in Serbien gibt an, dass die Regierung in der Coronakrise einen deutlichen Schritt in Richtung Autokratie vollzogen habe, wie das Online-Portal „Balkan Stories“ berichtet. Medien dürfen mittlerweile nur noch Informationen weitergeben, die vom zentralen Krisenstab der Regierung autorisiert wurden. Einzelne, insbesondere kritische Recherchen wie die von Ana Lalić sollen so unterbunden werden.

(vahe)

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