William Cochran

Der amerikanische Heldentenor, der einst in Wien eine "Lohengrin"-Premiere rettete, starb 78-jährig.

Hektische Stunden im Betriebsbüro der Wiener Staatsoper im Februar 1975. Die Neuinszenierung von Wagners "Lohengrin" durch Joachim Herz, deren Premiere das Haus-Debüt des Dirigenten Zubin Mehta sein sollte, war minutiös vorbereitet worden - und am Tag der Generalprobe erkrankte der Titelheld, James King. Als Retter in der Not erschien William Cochran, Mitglied des Ensembles der Frankfurter Oper, viel beschäftigt auch an der Bayerischen Staatsoper. Man hatte den amerikanischen Tenor in Wien schon des öfteren als Erik im "Fliegenden Holländer" gehört, als Bacchus in Strauss' "Ariadne auf Naxos" aber auch als Offenbachs Hoffmann. 

Wiener Erfahrungen

In der damals neuen Otto-Schenk-Inszenierung von Webers "Freischütz" war Cochran der Max gewesen, nachdem James King die Premieren-Serie gesungen hatte. Nun tauschte man die Reihenfolge: Cochran übernahm für die ersten beiden Vorstellungen des neuen "Lohengrin" die Partie des Schwanenritters vom erkrankten Kollegen und bewahrte die Staatsoper damit vor der kurzfristigen Absage einer Premiere. Die Partie hatte Cochran schon einmal zuvor im Haus gesungen, noch in der legendären "blauen" Inszenierung Wieland Wagners.

Die Met griff zu

Von Anfang an vorgesehen war Cochrans Mitwirkung an der Neuproduktion des "Fliegenden Holländer", 1972, das war in den Anfängen seiner Karriere, die kometenhaft begann, weil der Chef der New Yorker Metropolitan Opera, Sir Rudolf Bing, in dem jungen Mann aus Columbus (Ohio) den neuen Wagner-Helden für sein Haus entdeckt zu haben meinte. Er engagierte Cochran noch bevor die Endrunde des Metropolitan-Sängerwettbewerbs begonnen hatte.

Im Aufnahmestudio

Wenig später holte die EMI den aufstrebenden Tenor ins Plattenstudio, wo Otto Klemperer daranging, zumindest den ersten Aufzug der "Walküre" aufzunehmen. Partner Cochrans als Sieglinde und Hunding waren damals die ebenfalls geradezu zu internationalen Höhenflügen ansetzenden Sänger Helga Dernesch und Hans Sotin. Mochten die Karrieren der drei Sänger auch nicht so glänzend verlaufen, wie es damals prophezeit wurde, sie wurden alle zu renommierten Mitglieder der polyglott gewordenen, weltreisenden Opern-Familie.

Von seinen Plattenaufnahmen erregten jene von Ferruccio Busonis "Doktor Faustus" (mit Dietrich Fischer-Dieskau unter Rafael Kubelik) und - ebenfalls eine Pioniertat - die erste Gesamtaufnahme von Franz Schrekers "Die Gezeichneten" (ein Livemitschnitt unter Edo de Waart) Aufmerksamkeit.

Ein Frankfurter Held

Cochrans wichtigstes Haus blieb Frankfurt in der vom dirigierenden Intendanten Christoph von Dohnányi  geprägten Ära. Auch nach dessen Abgang nach Hamburg blieb Cochran, der sein Publikum nicht zuletzt als engagierte Darsteller für sich einzunehmen wusste, eine Stütze des Frankfurter Ensembles. So gehörte er zu den entscheidenden Protagonisten, die der viel diskutierten Inszenierung von Wagners "Ring des Nibelungen" durch Ruth Berghaus internationale Beachtung sicherten.

Wiederum besiegelte der Vorabend einer Premiere William Cochrans künstlerisches Schicksal: Er sollte in Frankfurt eine der Hauptrollen in Luciano Berios "Un re in ascolto" singen, wurde aber durch einen Unfall an allen weiteren Auftritten gehindert. Von den Folgen hat sich der Sänger nie wieder ganz erholen können. Er starb am 16. Jänner 2022 in seinem Alterssitz in Königstein im Taunus.

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