Ukraine-Krise

Kriegsgefahr im Osten: Macron will neue europäische Sicherheitsordnung

Russian army holds drills in the Rostov region
Russian army holds drills in the Rostov regionREUTERS
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Der französische Präsident schlägt einen baldigen Plan und EU und Nato und Verhandlungen mit Moskau vor. US-Außenminister Blinken auf demosntrativem Besuch in Kiew. Russland verlegt Militäreinheiten nach Belarus.

Angesichts der drohenden militärischen Eskalation im Konflikt des Westens mit Russland wegen der Ukraine hat Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, eine neue europäische Sicherheits- und Stabilitätsordnung gefordert. Ein Vorschlag dazu müsse schon in den kommenden Wochen von den Europäern erarbeitet und anschließend mit den NATO-Partnern geteilt werden, sagte Macron am Mittwoch bei einer Rede im EU-Parlament in Straßburg. Anschließend müsse der Vorschlag Russland für Verhandlungen vorgelegt werden.

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Der Dialog mit Russland bleibe jedenfalls essenziell: „Wir werden mit Deutschland im Rahmen des Normandie-Formats weiter eine politische Lösung im Ukraine-Konflikt suchen", betonte Macron. Die Unverletzbarkeit der Grenzen, freie Bündniswahl, der Verzicht auf Gewalt - das seien Prinzipien, auf die Europa und auch Russland sich vor vielen Jahren miteinander geeinigt hätten. „Es ist an uns Europäern, diese Prinzipien und die Souveränität der Staaten zu verteidigen."

FRANCE-EU-POLITICS-PARLIAMENT
FRANCE-EU-POLITICS-PARLIAMENTAPA/AFP/POOL/BERTRAND GUAY

Das Normandie-Format bzw. -Quartett bezieht sich auf eine 2014 gegründete Kontaktgruppe auf Regierungs- und Außenministerebene zwischen Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine zu Fragen des Ukraine-Konflikts. Vertreter der pro-russischen Separatisten in der Ostukraine sind offiziell nicht eingebunden.

Olaf Scholz betont Entschlossenheit

Der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, mahnte Russland, für eine De-Eskalation an seiner Grenze zur Ukraine zu sorgen. „Die russische Seite weiß um unsere Entschlossenheit", sagte Scholz am Mittwoch in einer Rede auf dem virtuellen Davos-Treffen des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum/WEF). „Ich hoffe, ihr ist auch bewusst, dass der Nutzen von Kooperation deutlich höher ist als der Preis weiterer Konfrontation."

Der SPD-Politiker sagte, man könne noch nicht sagen, ob die intensiven diplomatischen Kontakte die Lage deeskalieren könnten, die Russland durch die Konzentration von derzeit vermutlich mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine geschaffen habe. „Aber nach Jahren wachsender Spannungen ist Schweigen keine vernünftige Option", sagte Scholz. Es gebe ein klares Bekenntnis zur territorialen Unversehrtheit der Ukraine. Grenzen dürften nicht gewaltsam verschoben werden."

Die russischen Truppen waren zuletzt in etwa etwa fünf bis sechs größeren Zusammenballungen im Norden und Osten der Ukraine sowie auf der Halbinsel Krim im Süden formiert. In den abtrünnigen Gebieten der Ostukraine (Schwerpunkt Donbass) werden baldige Sabotageaktionen russischer Spezialeinheiten erwartet oder jedenfalls vermutet, die unter falscher Flagge ablaufen und der russischen Armee einen Grund für ein massives Einrücken geben sollen.

Truppenbewegungen auch nach Belarus

Am Dienstag hattten US-Regierungsbeamte auch von russischen Truppenbewegungen nach Belarus hinein gesprochen, die mit dem dortigen Regime abgesprochen seien. Zahlen wurden nicht publik, es besteht aber die prinzipielle Möglichkeit, dass die Russen zumindest mit Duldung durch Minsk die Ukraine von dort aus im Norden bedrohen und eventuell angreifen. Eine Vorstoßachse wäre über die belarussische Stadt Gomel, von dort aus sind es längs einer Autobahn noch etwa 260 km bis Kiew, allerdings (auf ukrainischer Seite) abschnittweise durch gut zu verteidigende Waldgebeiete und städtische Siedlungsräume.

BELARUS-RUSSIA-MILITARY-DRILL
BELARUS-RUSSIA-MILITARY-DRILLAPA/AFP/MINISTRY OF DEFENCE REPU

Der litauische Verteidigungsminister, Arvydas Anusauskas, nannte die Ankunft der russischen Truppen in Belarus am Mittwoch eine direkte Bedrohung für Litauen. Litauen ist NATO-Staat.

US-Außenminister Antony Blinken hat unterdessen am Mittwoch bei einem demonstrativen Besuch in Kiew die Entschlossenheit zur Unterstützung der Ukraine unterstrichen, räumte aber ein, dass die Russen durch ihren Aufmarsch „sehr schnell weitere aggressive Handlungen vornehmen" könnten. Er hoffe, dass sein geplantes Treffen mit dem russischen Außenminister, Sergej Lawrow, am Freitag in Genf die Kanäle offenhalte, sagte Blinken.

Ein hoher US-Beamter bestätigte, dass weitere „Sicherheitshilfen" in Höhe von umgerechnet rund 175 Millionen Euro für die Ukraine bereitstünden. Es gehe um Maßnahmen im Bereich der „defensiven Sicherheit". Zuvor gab es bereits Zusagen über fast 400 Millionen Euro.

Last-Minute-Militärhilfe

Der Kreml kritisierte am Mittwoch erneut die aktuell anlaufende Unterstützung einiger weniger westlicher Länder für die Ukraine mit Militärgerät, etwa Panzer- und Flugabwehrraketen. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sagte, durch die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine werde Russland in seiner Sicherheit gefährdet.

UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT
UKRAINE-RUSSIA-CONFLICTAPA/AFP/Ukrainian Defence minist

Großbritannien warnte Russland am Mittwoch vor einem Krieg um die Ukraine. Der erste industrialisierte, digitalisierte Krieg zwischen zwei hochmodernen Armeen in Europa seit Generationen sei womöglich nur Wochen entfernt, sagte James Heappey, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, dem Sender Times Radio. „Zehntausende Menschen könnten sterben." Zuvor hatte Großbritannien angekündigt, Panzerabwehrwaffen zu liefern. Eine kleine Anzahl britischer Militärs soll als Ausbildner dienen. Die Briten hatten den Ukrainern bisher vor allem im Marinebereich unter die Arme gegriffen. 

(APA/DPA/Reuters/wg)

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