Jazz

Als Jazz noch Pop war: Blakey-Mania in Japan

Shunji Ohkura
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Der große Schlagzeuger war Motor des Bebop und Hardbop. Jetzt wurden essenzielle Aufnahmen seiner ersten Japan-Tour im Jahr 1961 veröffentlicht. Sie sind von zeitloser Schönheit.

Die Hollywood-Schauspieler Shirley McLaine und Edward G. Robinson waren an Bord der Maschine, die Art Blakey und seine Jazz Messengers 1961 zu ihrer ersten Tournee nach Japan brachte: Sie staunten nicht schlecht, als Tausende Fans nicht sie, sondern die afroamerikanische Jazzkombo auf dem Haneda Airport mit Blumen, Transparenten und Geschenken begrüßten. Tränen der Rührung schossen den Jazzern in die Augen. In den USA spielten sie oft vor zerstreutem Publikum in Bars und Clubs, in Japan öffneten sich ihnen die großen Säle. Dort wurden sie als das erkannt, was sie waren: die Keimzelle eines ganzen Stils, des Hardbop. Zudem waren die Messengers eine Art Ausbildungsstation: Blakey (1919–1990) war nicht nur ein explosiv spielender Schlagzeuger, sondern auch Mentor vieler späterer Großer.

Die 2017 entdeckten Aufnahmen aus der Hibiya Public Hall in Tokyo sind jetzt endlich offiziell erhältlich. Das liebevoll gestaltete Blue-Note-Doppelalbum enthält viele Informationen, Fotos und vor allem wunderbar groovenden Jazz. Zur damaligen Besetzung gehörten Trompeter Lee Morgan, Saxofonist Wayne Shorter und Pianist Bobby Timmons. Das Quintett geizte nicht mit Blakey-Hits, darunter das heftig groovende „Moanin'“.

„Now's The Time": 22 Minuten Charlie Parker

Doch zu Beginn des Konzerts steht ein standesgemäßes Solo des Bandleaders, bei dem er seine Muskeln spielen lässt und das Publikum auf den sehr körperlichen Sound der Messengers einstimmt. Erst nach sechs Minuten gesellen sich Timmons und die Bläser dazu. Insgesamt dauert die schwungvolle Lesart von Charlie Parkers erdigem Bebop-Klassiker „Now's the Time“ über 22 Minuten. Funky Militärmarsch-Rhythmen kitzeln dann im „Blues March“, einem Stück von Saxofonist Benny Golson, der drei Jahre vor Wayne Shorter bei Blakey spielte. Im Vergleich zum melodieverliebten Golson interpretiert der junge Shorter diesen Klassiker entschieden energischer. In Dizzy Gillespies „A Night in Tunisia“ zeigt Blakey, zu welchen Subtilitäten er fähig war. Das gefällt wohl auch jenen, für die Schlagzeugsoli sonst das Hinterletzte sind.

Doch das vielleicht schönste Stück des Sets ist das hintersinnige „Dat Dere“, von Timmons komponiert. Oscar Brown Jr. schrieb einen Text dafür, den Sheila Jordan sang: Ein Kind macht sich vor einem Spielzeuggeschäft Gedanken über ethische Fragen wie „Why must I share?“. Bei Blakey bleibt „Dat Dere“ ein funkelndes Instrumental, in dem die Messengers einander mit abenteuerlichen Soli ablösen.
Im Booklet kommt auch Takashi Buhaina Blakey zu Wort. Japan hatte für Blakey nämlich auch eine große Liebe parat, der dieser Sohn entsprang. Doch irgendetwas lief schief mit ihm. Vielleicht war Vater Blakey zu selten zu Hause. Sonst wäre sein Sohn wohl nicht Immobilienmakler geworden...

Art Blakey & The Jazz Messengers; „First Flight to Tokyo“ (Blue Note)

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