Wasserwirtschaft

Clever abschätzen, wie viel Wasser eine „grüne Wand“ braucht

Vier Meter hoch ist die Versuchsanlage der Boku in der Wiener Muthgasse.
Vier Meter hoch ist die Versuchsanlage der Boku in der Wiener Muthgasse. [ Boku, Sebastian Handl ]
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Die positiven Effekte von begrünten Fassaden sind vielfältig. Jetzt erstellen Forscher aus Wien und Graz erstmals ein rechnerisches Modell, das zeigt, welche Bewässerung jeweils am sinnvollsten ist, wenn Wände bepflanzt werden.

Hürden gab es einige bei der Entwicklung dieses Projekts. Nicht nur, dass es bisher kein mathematisches Modell gibt, das den Wasserverbrauch und die Kühlungseffekte von bepflanzten Wänden berechnet. Sondern es stellte sich auch ganz pragmatisch die Frage, ob man Dissertanten oder Masterstudentinnen den Aufstieg auf die hohe Leiter zumuten soll, um die obersten Pflanzenkisten der Versuchsanlage zu untersuchen. „Wir haben dann statt einer Leiter eine Flugzeug-Treppe besorgt, damit alle, die hier mitarbeiten, sicher auf die vier Meter Höhe hinauf kommen“, sagt Bernhard Pucher vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Boku Wien.

Vier Meter hoch und sechs Meter breit ist die „grüne Wand“ in der Wiener Muthgasse, wo das Team mit dem Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau experimentell testet, welche Menge und welche Art von Wasser die verschiedenen Pflanzen-Mischungen benötigen, um eine gute Wirkung auf das Umgebungsklima zu erzielen. „Wir waren erstaunt, wie schnell die Versuchswand eine bunte Vielfalt in diesen grauen Hinterhof gebracht hat“, sagt Pucher. Bienen und Schmetterlinge entdeckten schnell die Kürbis- und Tomatenblüten sowie zig andere Pflanzenarten.

Die drei Jahre Versuchsarbeit haben sich gelohnt: Winzige Sensoren im Pflanzensubstrat lieferten kontinuierlich Daten, aus denen jetzt die ersten Modelle entstehen, die das Verhalten grüner Wände simulieren. Das ist das Ziel des neuen Projekts „Meadow“, in dem Pucher mit Michael Pointl vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau der TU Graz zusammenarbeitet – gefördert vom Programm StartClim des Klima- und Energiefonds.

Gründächer sind viel besser erforscht

„Obwohl Grünwände viel zur Milderung negativer Effekte des Klimawandels beitragen, sind sie bisher wesentlich weniger gut untersucht wie z. B. Gründächer“, erklären Pucher und Pointl. Neben den angenehmen Effekten zur Kühlung des Straßenraums und zur Dämmung der Gebäude können bepflanzte Wände auch viel zur Verbesserung der Luft beitragen – und Grauwasser reinigen, wie man das „Abwasser ohne Toilettenspülung“ nennt.

„Auf jeden Menschen in Österreich kommen im Schnitt 60 bis 80 Liter Grauwasser pro Tag“, sagt Pucher. Je mehr man davon wieder nützt, umso besser. Bepflanzte Fassaden können hier einen Beitrag zur Reinigung und Wiederverwendung leisten. „Bisher setzen Grünwände auf die Bewässerung durch Trinkwasser. Unser System testet verschiedene Möglichkeiten für die Verwendung von solchem Grauwasser oder auch Regenwasser.“ Wobei bei Regenwasser immer das Problem der mangelnden Versorgung im Raum steht, bei immer heißeren und trockeneren Sommerperioden. Michael Pointl, der in einer Dachgeschoßwohnung in Graz auch persönlich an Dämmung gegen Hitze durch grüne Infrastruktur interessiert ist, füttert nun die neuen Modelle mit den Daten aus der Boku-Versuchsanlage. Die Basis der Simulationen stammt aus Berechnungen, wie viel Wasser in Gebäuden und Haushalten verbraucht wird – nur dass nun der Wasserverbrauch in den Blumenkisteln an grünen Wänden gefragt ist.

Grundlage für Entscheidungsträger

„Es zeigt sich bereits, dass erst eine optimierte Bewässerung der Pflanzen zu den gewünschten Effekten der Verdunstungskühlung führt“, sagt Pointl. Techniken des maschinellen Lernens und physikalische Modelle sollen in diesem Projekt die Vorhersehbarkeit erleichtern, wie viel und welche Art von Wasser jeweils notwendig ist, damit eine grüne Wand positiv auf das Klima des Grätzels oder der Stadt wirkt. „Wir wollen Entscheidungsträgern eine Grundlage bieten, welche baulichen Maßnahmen für diese Art der grünen Infrastruktur sinnvoll sind“, betonen die Forscher.

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