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Trickfilme, die man anfassen kann

Ein (Grusel-)Film, den man am liebsten streicheln würde: „The House“.
Ein (Grusel-)Film, den man am liebsten streicheln würde: „The House“.(c) Courtesy of Netflix
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Die rezente Netflix-Kuriosität „The House“ belegt, dass die Kunst des Stopptrickfilms auch im Zeitalter des Digitalen gedeiht. Wir empfehlen fünf Animationsfilme (und eine Serie), deren analoges Handwerk verblüfft.

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The House

Katz und Maus im Gruselhaus
Zu sehen bei Netflix

In einer Zeit, in der die meisten Animationsfilme (und ein nicht unbeträchtlicher Teil der Spielfilmproduktion) im Computer entstehen, tritt der Wert haptischer Trickfilmkunst klar hervor. Bei Stopptrick-Animation äußert sich deren Zauber besonders deutlich, bietet sie doch „Film zum Anfassen“: Stoffpuppen und Knetfiguren erwachen hier zitternd zu wunderlichem Leben. Die Unverkennbarkeit des handwerklichen Aufwands trägt dazu bei, dass das Kunstlabel bei „Stop-Motion“ schneller greift als bei herkömmlicher Animation. Die Form hat ihre Altmeister (wie Jan Švankmajer) und Avantgardisten (wie die Gebrüder Quay). Autorenfilmer wie Wes Anderson und Charlie Kaufman brachten sie in Oscar-Nähe.

Wittert auch Netflix Preispotenzial? Der Episodenfilm „The House“ wirkt nämlich eher ungewöhnlich für den Streamingdienst: eine dreigeteilte, schwarzhumorige Schauermär der arrivierten Nexus Studios, in der Mensch und anthropomorphes (Ge)Tier über Generationen hinweg dem Hunger eines unheimlichen Anwesens anheimfallen. Promis wie Jarvis Cocker und Helena Bonham Carter leihen ihre Stimmen, doch der wahre Star ist die analoge Ästhetik – und am Ende wird diese Groteske sogar nochmal richtig gefühlig.

Chicken Run

Hühnerhatz aus Großbritannien
Zu sehen bei Sky

Schon in den 1970er-Jahren nestelten die Briten Peter Lord und David Sproxton unter dem Signet „Aardman Animations“ an Plastilin herum. Spätestens als Nick Park bei ihnen anheuerte, wurde die Knete zu Gold: Dank Oscar-prämierter Miniaturen wie „Creature Comforts“ (1991) – und der Schöpfung des kultigen Hund-Herrchen-Duos Wallace & Gromit, deren Stopptrick-Eskapaden bald weltweit begeisterten. Inzwischen ist der Aardman-Stil eine wiedererkennbare Marke, die regelmäßig Abendfüllendes produziert, mit Shaun, dem Schaf, ein Kinderzimmer-Idol unter Vertrag hat – und sich auch für rein computeranimierte Trickfilme nicht zu schade ist. Der Leinwand-Durchbruch gelang Lord und Park mit dem Hühnerstall-Ausbruchsfilm „Chicken Run“, der im Zuge zeitgenössischer Tierwohl-Debatten wieder an Brisanz gewonnen hat.

Kubo - Der tapfere Samurai

Abenteuer im Origami-Land
Zu sehen bei Apple TV+ (ab € 3,99)

Die zweite, jüngere Kunstfabrik, die es geschafft hat, mit (digital aufgemotzten) Stopptrick-Filmen in die Oberliga der Animationsbranche vorzudringen, ist das Studio Laika aus Portland, Oregon. Seit der schönen „Alice im Wunderland“-Variation „Coraline“ (2009) sorgt es wiederholt mit Arbeiten für Aufsehen, die Platzhirschen wie Pixar erzählerisch wenig nachstehen – und überdies mit dem ansehnlichen Alleinstellungsmerkmal analoger Figuren und Sets aufwarten. „Kubo“ ist eine ihrer betörendsten Kreationen, deren Wunderwelt angelehnt ist an traditionelles japanisches Kunsthandwerk.

Isle of Dogs

Wes Anderson im Hundefieber
Zu sehen bei Netflix

Japanophilie, die Zweite: Guckkastenfilmer Wes Anderson entdeckte die Freuden des Stopptricks schon bei seiner famosen Roald-Dahl-Adaption „The Fantastic Mr. Fox“ (2009) für sich, in „Isle of Dogs“ (2018) kreuzte er sie mit seinem Faible für das Land der aufgehenden Sonne. In gewohnt akribischer Manier – die Kleinarbeit analoger Animationstechnik scheint sich nur unwesentlich von Andersons üblichem Modus Operandi zu unterscheiden – entwirft er eine ziselierte Nippon-Fantasie über die große Hunde-Verbannung aus „Megasaki City“, die bei Bedarf auch als Polit-Parabel über die Übel von Xenophobie und Populismus durchgeht. Mit Gebell von Jeff Goldblum, Bill Murray u. a.

The Shivering Truth

Monty Python für Hartgesottene
Zu sehen bei Amazon (ab € 2,99)

Vernon Chatman ist ein unbesungener Genius des Absurden, der seit Jahren im Unterholz des US-Seriendschungels Provokantes und Phantasmagorisches pflanzt. Selbst „The Shivering Truth“, eine seiner konventionelleren Schöpfungen, ist jenseitig in jeder Hinsicht: Eine Stopptrick-Sketch-Show des Schreckens, die schräge Kurzgeschichten à la „The Twilight Zone“ mit schalkhaftem Schwung in die Astralebene schießt.

Los huesos

Puppenspiel und Stummfilmspuk
Zu sehen bei Mubi

Mit ihrem stark am Werk osteuropäischer Animationskünstler orientierten Colonia-Dignidad-Exorzismus „La casa lobo“ (2018) brachten die Chilenen Joaquín Cociña und Cristóbal León Stopptrick-Surrealismus zurück in den Filmfestival-Zirkus. Mit dem Kurzfilm „Los huesos“ (2021) legen sie mehr davon nach, aufbereitet als vorgefundener Stummfilm, unterfüttert mit Kritik an der Verschüttung von Geschichte: Eine Puppenprinzessin beschwört die sterblichen Überreste zweier autoritärer chilenischer Staatsmänner herauf – und lässt sie tanzen.

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