Die Metropole ging vor zwei Jahren als erste weltweit in den Lockdown. Die Bevölkerung begrüßt die staatlich angeordnete Amnesie: Sie will die schmerzlichen Erinnerungen vergessen.
Wuhan. Wer von Dandan wissen möchte, wie sich ihre Heimat in den vergangenen Jahren gewandelt hat, vernimmt zunächst ein lautes Seufzen. Viel gäbe es da zu erzählen, sagt die alleinerziehende Mutter aus Wuhan. „Das Schlimmste ist jedoch, dass wir über das meiste zunehmend stumm bleiben müssen – sogar zu Hause in der Familie.“ Ihre Tochter, die in die Grundschule geht, könne sich versehentlich vor den Lehrern verplappern. So tief greift die Selbstzensur mittlerweile für die Chinesin.
An diesem feuchtkühlen Jännertag sitzt die 38-Jährige – eingehüllt in Haube und Daunenjacke – in einer Starbucks-Filiale, die Fensterfront gibt den Blick frei auf ein Einkaufszentrum im „europäischen“ Stil: In einer gotischen Kathedrale wird ein Huawei-Flagship-Store aufgebaut, hinter venezianischen Häuserfassaden befinden sich Hotpot-Lokale und Kleidergeschäfte. Wenig erinnert in der zentralchinesischen Provinzhauptstadt noch daran, dass hier vor zwei Jahren der weltweit erste Corona-Lockdown verhängt wurde: 76 Tage lang durften mehr als sechs Millionen Menschen in Wuhan ihre Häuser nicht verlassen.