Ukraine-Krise: London warnt vor „Komplott“

Ist der frühere ukrainische Abgeordnete, Jewhenij Murajew, der Kandidat des Kremls für eine prorussische Führung in Kiew?
Ist der frühere ukrainische Abgeordnete, Jewhenij Murajew, der Kandidat des Kremls für eine prorussische Führung in Kiew? REUTERS
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Der Kreml plane die Einsetzung eines pro-russischen Führers in Kiew, befürchtet die britische Regierung. Moskau spricht von „gezielter Falschinformation“.

Nach Gesprächen zwischen den USA und Russland in Genf wuchs die Hoffnung auf eine Deeskalation der Ukraine-Krise. Nun steigen die Spannungen wieder. London wirft dem Kreml ein „Komplott“ vor: „Uns liegen Informationen vor, dass die russische Regierung versucht, eine pro-russische Führung in Kiew zu etablieren, während sie erwägt, ob sie in die Ukraine einmarschieren und sie besetzen soll“, hieß es aus dem Außenministerium.

Auch Namen wurden genannt: Möglicher Kandidat für die Führungsposition in Kiew sei der frühere ukrainische Abgeordnete Jewhenij Murajew. Er war ein Vertrauter des pro-russischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, der 2014 nach Russland geflohen war. Allerdings: Murajew wurden zwar gewisse Sympathiewerte im Osten der Ukraine nachgesagt, er gilt jedoch keinesfalls als politisches Schwergewicht. Zudem steht er selbst seit 2018 auf einer russischen Sanktionsliste. Das britische Außenministerium scheine „verwirrt zu sein“, sagte denn auch Murajew dem „Oberserver“: „Es ist nicht sehr logisch. Ich bin aus Russland verbannt. Nicht nur das, auch das Geld der Firma meines Vaters wurde konfisziert.“

Doch London bleibt bei seiner Version: „Es wird sehr schwerwiegende Konsequenzen geben, wenn Russland diesen Schritt unternimmt“, sagte Vize-Premier Dominic Raab am Sonntag dem Sender „Sky News“ zu den angeblichen Plänen Moskaus. „Wir werden das Komplott des Kreml nicht tolerieren, eine pro-russische Führung in der Ukraine zu installieren“, twitterte auch Außenministerin Liz Truss. Moskau wisse, dass ein militärischer Einmarsch ein großer strategischer Fehler wäre und dass das Vereinigte Königreich und seine Partner Russland einen hohen Preis auferlegen würden.

Verbindungen nach Wien

Als Moskau-freundliche Führer genannt wurden vom britischen Außenministerium neben Murajew auch vier Politpensionisten aus der Ära Janukowitschs, darunter Ex-Spitzenbürokraten, die in der Vergangenheit enge Beziehungen nach Wien pflegten. Andrij Kljujew, ehemals mächtiger Chef von Janukowitschs Präsidentschaftskanzlei, hielt seinerzeit gemeinsam mit seinem Bruder Serhij über die Slav AG in Wien Unternehmensbeteiligungen. Auch Ex-Premier Mykola Asarow, dessen Familie Immobilien in Wien und Mariazell besaß, hielt sich vor dem Machtwechsel 2014 wiederholt in Österreich auf. Später wurde der Ex-Premier bei seiner Klage gegen EU-Sanktionen vom Wiener Anwalt Gabriel Lansky vertreten.

Für Moskau handelte es sich bei der britischen Aussendung um „Desinformation“. Großbritannien und Nato würden die Spannungen eskalieren. „Wir rufen das britische Außenamt auf, diese Provokationen zu beenden, keinen Schwachsinn mehr zu verbreiten und sich auf die Erforschung des Mongolen- und Tatarenjochs (im 13. bis 15. Jahrhundert) zu konzentrieren“, spöttelte Außenamts-Sprecherin Marija Sacharowa.

In den USA nimmt man die Warnung ernst: Man habe ähnliche Informationen, hieß es. Das ukrainische Volk habe „das souveräne Recht, seine Zukunft selbst zu bestimmen“. Die USA stünden an der Seite seiner demokratisch gewählten Vertreter. Auch in Kiew ist man besorgt: „Man sollte diese Information so ernst wie möglich nehmen“, sagte ein Berater von Präsident Wolodymyr Selensky. Murajew sei zwar eine „lächerliche Figur“. Aber Moskau habe schon unbedeutende Persönlichkeiten in Führungspositionen auf der Krim und im von Separatisten gehaltenen Donbass unterstützt.

Vor allem die USA befürchten angesichts der hohen russischen Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine einen Einmarsch. Moskau weist dies zurück. Großbritannien hat der Ukraine leichte Panzerabwehrwaffen geschickt. Die USA und ihre Verbündeten verlangen seit Wochen einen Rückzug der an der ukrainischen Grenze zusammengezogenen russischen Truppen. Im Gegenzug fordert Moskau Sicherheitsgarantien und ein Ende der Nato-Osterweiterung.

Entspannungsbemühungen laufen auf Hochtouren, bisher aber ohne greifbare Ergebnisse. Am Freitag hatten sich der russische Außenminister, Sergej Lawrow, und sein US-Kollege Anthony Blinken in Genf getroffen. (ag.)

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