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Druck auf Ratzinger wächst: Soll er päpstlichen Namen ablegen?

Archivbild von Joseph Ratzinger.
Archivbild von Joseph Ratzinger. Gamma-Rapho via Getty Images
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Die katholische Reformbewegung „Maria 2.0“ fordert Ratzinger nach dem Missbrauchsgutachten auf, auf Titel und Insignien zu verzichten. Der Aachener Bischof Helmut Dieser fordert eine „Entschuldigung“ von Ratzinger.

Nach dem Münchner Missbrauchsgutachten wächst der Druck auf den emeritierten Papst Benedikt XVI. Der Aachener Bischof Helmut Dieser fordert ein öffentliches Schuldeingeständnis Joseph Ratzingers. „Es kann nicht dabei bleiben, dass Verantwortliche sich flüchten in Hinweise auf ihr Nichtwissen oder auf damalige andere Verhältnisse oder andere Vorgehensweisen. Denn deswegen wurden doch damals Täter nicht gestoppt und Kinder weiter von ihnen missbraucht!“, sagte Dieser am Sonntag.

Die katholische Reformbewegung "Maria 2.0" forderte Papst Benedikt XVI. auf, seinen Papstnamen abzulegen. "Wir erwarten, dass Joseph Ratzinger in Anbetracht dessen auf die Verwendung seines päpstlichen Namens sowie seiner damit verbundenen Titel und Insignien verzichtet", teilte die feministische Initiative mit. Er habe den sexuellen Missbrauch Minderjähriger "auf geradezu dreiste Weise verharmlost".

"Dieses Gutachten darf für die Erzdiözese München und Freising, aber auch für die katholische Kirche insgesamt, nicht ohne Folgen bleiben", teilte "Maria 2.0" mit und forderte auch Konsequenzen für weitere Verantwortungsträger, denen das Gutachten Fehlverhalten vorwirft. Neben Ratzinger sind das unter anderen auch seine Nachfolger als Erzbischöfe, Kardinal Friedrich Wetter und Amtsinhaber Kardinal Reinhard Marx, dem formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgeworfen werden.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beklagte „desaströses Verhaltenauch von den Spitzen der Kirche“ und mahnte: „Verdeckt und vertuscht wurde lang genug, jetzt ist die Zeit der Wahrheit.“

Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, hatte das Erzbistum München und Freising von 1977 bis 1982 geführt. Ein vom Erzbistum selbst in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Benedikts Rolle ist besonders brisant. Ihm werden vier Fälle von Fehlverhalten angelastet. Er hat die Vorwürfe in einer Verteidigungsschrift zurückgewiesen. Die Gutachter gehen davon aus, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Wahrheit gesagt hat.

„Auch Bischöfe, auch ein ehemaliger Papst können schuldig werden, und in bestimmten Situationen müssen sie das auch öffentlich bekennen, nicht nur im Gebet vor Gott oder im Sakrament in der Beichte“, mahnte Bischof Dieser in seiner Predigt am Sonntag. Er wird in der Bischofskonferenz dem Lager der Reformer zugerechnet. Die Unfähigkeit, eigene Verantwortung zu spüren, Schuld einzugestehen, mache ihn „traurig und wütend“, sagte er.

Ein Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sagte, das Gutachten mache „die Verwobenheit der verschiedenen Mitwirkenden zum Erhalt eines geschlossenen kirchlichen Machtsystems deutlich“. Der neue CDU-Chef, Friedrich Merz, rechnet als Konsequenz aus dem Missbrauchsgutachten auch mit Gerichtsverfahren. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2022)

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