Morgenglosse

Warum Italiens Präsidentschaftswahl diesmal ganz Europa angeht

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FILES-ITALY-VOTE-PRESIDENTAPA/AFP/ANDREAS SOLARO
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Auf die Berlusconi-Show folgt das Draghi-Dilemma.

Der Rückzug Silvio Berlusconis aus dem Rennen um Italiens Präsidentschaft nimmt den schrillen Showeffekt aus dem Kampf um den Quirinal. Und das ist gut so. Denn diese Wahl ist keine pikante Commedia all´Italiana, sondern einer der delikatesten Momente in der jüngeren italienischen Geschichte – mit möglichen Auswirkungen auf die gesamte Eurozone.

Das Land, hart getroffen von der ersten Pandemiewelle und geschwächt von mehr als einer Dekade der Wirtschaftsstagnation, kann erstmals wieder seit Langem zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Die Impfkampagne läuft gut, die Wirtschaft wächst besser als erwartet, dank Premier Mario Draghi ist Italien international wieder angesehen. Doch das könnte sich alles sehr schnell ändern.

Denn das Votum über den Präsidenten entscheidet die Zukunft der Regierung. Im Kampf um den präsidialen Quirinalspalast muss nämlich das größte Dilemma noch gelöst werden: Soll der erfahrene Krisenmanager Mario Draghi Staatsoberhaupt werden und dafür sorgen, dass Italien in den nächsten gewiss turbulenten sieben Jahren irgendwie auf Kurs bleibt? Oder soll er versuchen, die immer zerstritteneren Koalitionspartner zumindest für ein Jahr noch zu bändigen? Zumal bisher kein Premier so erfolgreich wie er mit Brüssel verhandelte und zugleich daheim für Ordnung sorgte. Zuletzt wurde aber immer deutlicher, dass diese Mammut-Aufgabe sogar „Supermario“ zunehmend erschöpft.

Schulden in schwindelerregende Rekordhöhen

Der Preis ist hoch: Rom muss auf Reformkurs bleiben, um die mehr als 200 Milliarden Euro EU-Coronahilfen investieren zu können. Und der Moment ist heikel: Die Pandemie wütet weiter mit ungewissem Ausgang, Inflation und steigende Energiepreise setzen der fragilen drittgrößten Euro-Volkswirtschaft zu, die Staatsschulden erreichen mit 2694 Milliarden Euro weiterhin schwindelerregende Rekordhöhen.

Kurz: Altbekannte Instabilitätsszenarien - Regierungskrisen und lähmenden Wahlkämpfen – kann sich Rom jetzt nicht leisten. Und genau das droht, sollte Draghi in den Quirinalspalast ziehen. Zugleich wäre keiner ein besserer Präsident als der angesehene ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).

Um diesen gordischen Knoten zu zerschlagen, ist viel italienischen Kreativität gefragt. Italiens Politiker müssen jetzt beweisen, dass sie diese Verantwortung auf wirklich tragen können. Denn Europa blickt besorgt nach Rom. Die Spannung im Quirinalskrimi steigt täglich – auch ohne Silvio Berlusconi.

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