Attacke der Grünen: Polizei verharmlost rechte Szene

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Aufregung herrscht um einen Aufmarsch von ungarischen Neonazis im burgenländischen Oberwart. "Rechtsextremisten von Jobbik marschierten zu einer angemeldeten Kundgebung auf“, so Grünen-Nationalrat Öllinger.

Wien. In der Causa um angeblich schleppende Ermittlungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in der rechten Szene gab es gestern, Dienstag, neue Vorwürfe. Grünen-Nationalrat Karl Öllinger berichtete von einem Aufmarsch ungarischer Neonazis in der südburgenländischen Bezirksstadt Oberwart, der am 3.Oktober stattgefunden hat.

„Bis zu 50, teilweise mit Militäruniformen der Pfeilkreuzler ausgestattete Rechtsextremisten von Jobbik (die ungarische Partei wird als rechtsextrem eingestuft; Anm.) marschierten ausgestattet mit Karabinern und Bajonetten zu einer angemeldeten Kundgebung auf“, erklärte Öllinger. Der Verfassungsschutz sei dort aber nicht präsent gewesen. „Da frage ich mich schon: Wozu brauchen wir dann das BVT?“, so Öllinger.

Das Innenministerium (BMI) widerspricht der Darstellung der Grünen: Laut Sprecher Rudolf Gollia waren die zuständige Bezirkshauptmannschaft sowie die Sicherheitsdirektion informiert. „Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz waren vor Ort und haben einen Bericht darüber verfasst“, erklärte Gollia der „Presse“.

Der Aufmarsch der ungarischen Rechten galt dem Gedenken an den Staat „Leitha-Banat“. Dieser existierte von Anfang Oktober bis Mitte November 1921 im heutigen Gebiet des Burgenlandes. Oberwarts Stadtchef Gerhard Pongracz (SPÖ) hatte die Kundgebung laut lokalen Medien kritisiert. Der Veranstalter hingegen hatte erklärt, es habe sich um eine Kranzniederlegung gehandelt, mit Jobbik habe das nichts zu tun. Die Grünen haben mittlerweile eine parlamentarische Anfrage zu dieser Kundgebung eingebracht.

Unzufrieden zeigte sich Öllinger am Dienstag zudem über die Ermittlungen gegen die rechte Webseite Alpen-Donau.Info. Am Montag hatte BVT-Chef Peter Gridling erklärt, derartige Seiten zu schließen, sei „nicht ganz einfach in manchen Fällen, und dies ist ein solcher Fall“. Öllinger meinte hingegen, das BVT agiere „offensichtlich als politische Behörde für Verharmlosung und Vertuschung“.

Ministerium mit Klagen bedroht

Zu jenem mittlerweile versetzten BVT-Beamten, dessen Sohn sich im Dunstkreis von Rechtsextremen bewege, widersprach er der Darstellung des BMI, wonach der Ermittler „nicht in leitender Funktion gearbeitet“ habe. Öllinger: „Laut unseren Informationen war er Leiter der Observationseinheit.“

In den jährlich erscheinenden BVT-Lageberichten werde zudem die rechte Szene verharmlosend dargestellt: Im aktuellen Bericht sei etwa über die Alpen-Donau.Info-Seite genauso wenig zu lesen wie über Umtriebe von rechten Studentenverbindungen, kritisieren die Grünen. Konter von BMI-Sprecher Gollia: „Auch wenn Vereine und Webseiten rechts stehen, können wir aufgrund des Persönlichkeitsschutzes keine Namen nennen.“ Nachsatz: „Wir sind bereits mit Klagen bedroht worden.“ Gollia bestätigte am Dienstag eine ORF-Meldung, wonach schon seit März eine im BVT angesiedelte Sonderkommission (Soko) gegen die Alpen-Donau.Info-Homepage ermittelt. Die Soko sei derzeit mit dem Verwerten der Datenmengen beschäftigt, die nach mehreren Hausdurchsuchungen sichergestellt worden seien.

Zu den Ermittlungen gegen Neonazis meldete sich auch Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) zu Wort: Er sagte, er habe derzeit keine Hinweise auf Verbindungen aus dem Militärgymnasium Wr. Neustadt sowie der Militärakademie zur Neonazi-Homepage Alpen-Donau.Info. Der Sohn des früheren BVT-Beamten soll beim Ulrichsberg-Treffen 2009 in einer Ausgangsuniform des Bundesheeres erschienen sein. Außerdem wurde gemutmaßt, einige Betreiber der Webseite könnten sich im Dunstkreis von Militärgymnasium und Militärakademie bewegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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