Sofia Coppola: Stillstand am Pool

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"Somewhere": Einsamkeit und Melancholie als gefällige Comedy in geschmackvollen Bildern: Der Siegerfilm der heurigen Filmfestspiele in Venedig von Sofia Coppola bietet Designer-Ennui. Ab Freitag im Kino.

Ein schwarzer Ferrari dreht in der Einöde seine Runden: Der Motor dröhnt, der Bildausschnitt ist so gewählt, dass der Wagen auf seiner Kreisfahrt nur kurz sichtbar ist. Geraume Zeit durchquert er wiederholt das Sichtfeld: eine schickere Version des Anfangs von Vincent Gallos Verzweiflungsseelendrama The Brown Bunny, die Bedeutung ist dieselbe – ein Leben läuft im Kreis. Im Gegensatz zu Gallos rohem Existenzialismus bietet Sofia Coppolas vierter Spielfilm Somewhere aber Designer-Ennui: Einsamkeit und Melancholie als gefällige Comedy in geschmackvollen Bildern.

Am Steuer des Ferraris sitzt ein Hollywoodstar: Johnny Marco (Stephen Dorff) führt ein Leben in Luxus und Langweile. Die Ereignislosigkeit seiner Existenz wird als milde Satire angedacht: Partys mit reichlich Trunk und willigen Starlets, Pressekonferenzen mit heimlichen Hickhack unter gemeinsam in die Kamera lächelnden Kollegen sowie unvermeidlichen dummen Fragen von Journalisten. Als Abendunterhaltung lässt sich Johnny Blondinen-Zwillingsschwestern kommen, die zu süß säuselnder Musik in seiner Privatsuite an selbst mitgebrachten Stangen erotisch tänzeln, gern auch als Themenabend (Tennis). Die Zwillinge kommen zweimal. Er verwechselt ihre Namen.

Ein Hauch von Schrulligkeit umweht das komfortable Unglück des Protagonisten: Komische Randgestalten und Pokerface-Humor erinnern an das US-Independent-Kino der 1990er, wo bevorzugt origineller Witz den melancholischen Leerlauf beleben sollte, da jedoch eher im Verlierersegment der Gesellschaft. Gegen Ende dieser Ära legte Sofia Coppola, Tochter des berühmten Regisseurs Francis Ford, ihr Filmdebüt The Virgin Sucides vor. Dem dort etablierten Stil aus ätherischem visuellen Glanz und leiser Larmoyanz ist sie treu geblieben: Somewhere, vom Kameravirtuosen Harry Savides bestechend gefilmt, wirkt wie eine Neuauflage ihres größten Erfolgs Lost in Translation.

Unweigerlich werden Brüste präsentiert

Nur, dass dort die von Bill Murray gespielte Figur für Geist und Witz sorgte. Der introvertierte Star des neuen Films wird zwar von Dorff angemessen verkörpert, ist aber letztlich nur ein eitler Langweiler. Was er nach über 90Minuten realisiert – die Leere seines Lebens –, ist dem Publikum schon nach zehn Minuten erschöpfend erklärt. Es sei denn, es lässt sich wie er ständig von den hübschen Maiden ablenken, die unweigerlich ihre Brüste präsentieren. Ein Einschnitt kommt, als sich der Schauspieler plötzlich um seine elfjährige Tochter (Elle Fanning) kümmern muss. Ihre gemeinsame Reise nach Italien sorgt nicht unbedingt für tiefere Erkenntnisse – selbst die zur Überspitzung gesteigerte Grellheit einer Galaveranstaltung in Italo-Manier wirkt im Vergleich zu jüngeren Medienmeldungen aus dem Nachbarland zahm. Aber eine Hotelszene samt Gespielin am Frühstückstisch, in der die Blickwechsel zwischen Vater und Tochter pointierte Gefühle ausdrücken, lässt ahnen, wohin Sofia Coppola mit Somewhere wirklich möchte.

Sonst bleibt sie aber im Nirgendwo stecken, das sie so gefällig illustriert: jedes Stillstandstableau am Pool wie ein David-Hockney-Stillleben. Momente wie der, als der Star beim Maskenbildner unter Gips erstarrt, sollen zwar – nicht eben subtil – Kritik ausdrücken, doch schwelgt Coppolas heuer in Venedig mit dem Goldenen Löwen prämierter Film genau in dem narzisstischen Ennui, den er zu beklagen behauptet: Als wären Unzufriedenheit und Entfremdung in der Konsumkultur schon eine Form des Widerstands. Die beträchtliche Eleganz verbirgt nicht den Mangel an Substanz. Am Ende geht es an den Anfang zurück, um noch eine überdeutliche Metapher zu strapazieren: Aussteigen ist auch eine Option. Allerdings sollte man sie nutzen, um nachzudenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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