Ein Journalist, aus dem kein Mullah mehr wird

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"Profil"-Redakteur Nikbakhsh hat persische Wurzeln. Und obwohl er in Österreich aufgewachsen ist und sozialisiert wurde, setzt er sich in jüngster Zeit zusehends mit seiner Identität und Zugehörigkeit auseinander.

[Wien]Auch wenn Michael Nikbakhsh, Sohn eines Iraners und einer Österreicherin, hier aufgewachsen ist und noch nie im Iran war, fragt er sich immer wieder, was an ihm österreichisch ist. Als Iraner ist er in Österreich auf die Welt gekommen und hatte bis zu seinem zweiten Lebensjahr die iranische Staatsbürgerschaft.

Doch was ist an ihm persisch? Nikbakhsh schaut nach links und deutet auf den goldenen Samowar in seinem Büro. Auch sein Medizinstudium, das er seinem Vater zuliebe begann, ist sehr persisch an ihm. Jahrelang litt sein Vater, der selbst Arzt ist, daher darunter, dass er das Studium nicht beendete und legte ihm immer wieder nahe, es doch fertigzumachen. Bis er einmal auf der Bank von einer Angestellten gefragt wurde, ob er der Vater des berühmten Journalisten sei. Seither haben die Interventionen aufgehört.

Doch fast hätte ihn sein Studentenjob als Pizzaaussteller seine Karriere gekostet. „Korrumpiert durch das schnelle Pizzageld“, geriet alles andere in den Hintergrund. Bis er von Roland Barazon zufällig die Chance bekam, bei den „Salzburger Nachrichten“ anzufangen. Er sagte zu, obwohl er als Pizzafahrer mehr verdiente – und er auch gar nicht Journalist werden wollte. Bereut hat der heutige Wirtschaftsressortleiter des „Profil“ die Entscheidung dennoch nicht. Seine vielen Auszeichnungen als Journalist des Jahres sind der beste Beweis dafür.

Was ihn besonders ärgert, sind die heutigen Asylgesetze. Dass selbst Kinder von der Polizei abgeführt werden, „dafür sollten wir uns schämen“. Dabei denkt er auch an seinen eigenen Vater, dem man heute wohl vorwerfen würde, er wäre ein Wirtschaftsflüchtling. Nikbakhsh senior musste in den 1950er-Jahren den Iran verlassen, da er Kommunist und in der Tudeh-Partei aktiv war. Im damaligen Iran ein Vergehen, für das Gefängnisstrafe drohte.

Patriotischer als Österreicher?

Für Nikbakhsh junior war seine Herkunft bis vor einigen Jahren kein Thema. Doch immer öfter fragt er sich: „Was bist du?“ Für einen Iraner reiche es nicht aus. Von Österreichern werde ihm vorgeworfen, dass er sich nicht zu Österreich bekenne. „Doch wieso müssen Migranten patriotischer sein als Österreicher? Was ist der Anforderungskatalog“, fragt er. Dass man die Gesetze respektiert, das sei ja selbstverständlich. Dass man die Kultur kennt? Nikbakhsh: „Ich habe einmal drei Österreicher nach Maria Empfängnis gefragt und habe drei unterschiedliche Antworten erhalten.“ Dinge, die man als identitätsstiftend betrachtet, sitzen bei den wenigsten. Doch neuerdings bekommt er immer wieder Zuschriften, die sich auf seinen Namen beziehen.

Angefangen habe das, als das „Profil“ vergangenes Jahr Arigona Zogaj als Mensch des Jahres auf das Cover brachte und somit Partei für die kosovarische Familie ergriff – was ihn sehr stolz machte –; seither stünden die Redakteure des Magazins unter Generalverdacht, und sein Name mache es für ihn nicht einfacher.

Unverhohlen seien die Zuschriften, und allzu oft würde sein Name absichtlich falsch geschrieben. Nikbakhsh: „Wir kennen ja unsere Klientel und haben auch Leser, die im Keller sozialisiert wurden.“ Dennoch erschüttert es ihn, mit welch niederen Motiven und schlechter Sprache – „können keine zwei geraden Sätze schreiben, wollen aber alle Ausländer raus“ – die Zuschriften seien. Seit 20 Jahren ist er schon in dem Beruf aber „so war es noch nie.“

Mit ein Grund, warum er sich zusehends mit dem Persischen identifizieren könne. „Warum soll ich mir diese Tür verschließen“, fragt er mehr sich selbst und stellt fest: „Das ist eine interessante Entwicklung, die ich an mir beobachte.“ Ein Mullah werde er, der ohne Bekenntnis aufgewachsen ist, keiner mehr, „der Zug ist abgefahren“.

„Raus aus Österreich“

Schon als Kind habe er Xenophobie erlebt. Im Wohnhaus der Eltern im Gemeindebau stand an der Hauswand „Nikbakhsh raus aus Österreich“. Der Name war falsch geschrieben, obwohl er an der Türglocke stand. Die krakelige Schrift ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben. „Wir sind nicht gegangen, den Gefallen haben wir ihnen nicht getan.“ Nächstes Jahr will er dennoch gehen, auch wenn nur als Tourist – in den Iran auf den Spuren seines Vaters.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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