Treibhausgasemissionen

Wie Müll mehr als klimaneutral werden soll

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Recycling und richtige Behandlung von Restmüll helfen bereits jetzt beim Einsparen von Treibhausgasemissionen. Laut einer Studie ginge aber viel mehr.

Was in Europa an Restmüll nicht verbrannt wird, wandert auf Deponien. Dort zersetzen sich organische Materialien. Ist genügend Sauerstoff vorhanden, entsteht CO2, sonst das noch klimaschädlichere Treibhausgas Methan. Zwar fallen auch in der Müllverbrennung Treibhausgasemissionen an, aber dort wird wenigstens Energie erzeugt. Derzeit geht nur etwas mehr als die Hälfte des Hausmülls in die Verbrennung.

Kein Wunder also, dass die europäische Abfallwirtschaft in der Behandlung von Restmüll einen großen Hebel sieht, um Treibhausgasemissionen einzusparen. Würden in Europa alle bereits bestehenden Vorgaben umgesetzt, könnten die Emissionen bis 2035 von 182,1 Megatonnen CO2-Äquivalent auf 119,5 Megatonnen im Jahr sinken, wie die von den Dachgesellschaften der europäischen Abfallwirtschafts- und Recycling-Branche in Auftrag gegebenen Studie zeigt. Schärft die EU ihre Klimaziele für die Abfallwirtschaft hingegen nach, wären beim Restmüll sogar negative Emissionen möglich. In diesem Fall dürfte 2035 aber so gut wie kein Restmüll mehr auf Deponien verrotten.

Wenn von negativen Netto-Emissionen in der Abfallwirtschaft die Rede ist, bedeutet das freilich nicht, dass Entsorger CO2-Senken sind, in denen das Treibhausgas dauerhaft gebunden wird. Entsorgungsbetriebe sind keine Wälder und sie sind auch keine Moore. Es geht in der Abfallwirtschaft um die Differenz zwischen den von Entsorgungsbetrieben ausgestoßenen Treibhausgasen und den CO2-Einsparungen entlang der Wertschöpfungskette.

Recycling

Restmüll ist nur eine Abfallgruppe von vielen. Die mit der Studie beauftragten Forschungsgesellschaften Prognos und CE Delft haben das Potenzial für Emissions-Einsparungen bei insgesamt zehn Abfallgruppen angesehen. Alle außer dem Restmüll – darunter etwa Textilien, Papier und Aludosen – sind fürs Recyceln geeignet.

Die Studie spielt entlang der Abfallgruppen drei Szenarien durch, wie die europäische Abfallwirtschaft Treibhausgasemissionen vermeidet – und wie sie noch mehr Emissionen vermeiden könnte. Selbst im Basis-Szenario, das den Status quo in Sachen Recyclingquoten und Abfallmanagement bis 2035 fortschreibt, wird der Sektor bis dahin annähernd klimaneutral. Wenn nicht die Sache mit dem Restmüll wäre.

Annähernd klimaneutral

Derzeit bewegen sich die europäischen Entsorger in Richtung 13,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente netto im Jahr. Beim Recycling ist die Branche bereits auf einem guten Weg, ohne Restmüll sorgt sie in diesem Szenario entlang der Wertschöpfungskette für ein Minus von 96 Megatonnen an CO2.

Würden allerdings die bereits heute in Europa geltenden Vorschriften und Zielsetzungen für Siedlungsabfälle vollumfänglich umgesetzt, würde das laut Studie Einsparungen von netto 136,7 Millionen Tonnen CO2 bedeuten – inklusive Restmüll. Der Präsident des Europäischen Abfallwirtschaftsverbands (FEAD), Peter Kurth, nannte dieses „Szenario eins“ eine „tief hängende Frucht“.

Ehrgeiziges Szenario

Erreichbar, wenngleich bloß mit entsprechenden Anstrengungen, ist laut Studienautoren auch ein zweites Szenario. Hier geht es immerhin um ein Netto-Minus von EU-weit jährlich rund 300 Millionen Tonnen CO2, was in etwa der spanischen Jahresproduktion entspricht. In diesem Szenario wurden bereits absehbare technologische Fortschritte und alle denkbaren Maßnahmen von Produktion bis Entsorgung berücksichtigt.

Voraussetzung für sehr hohe Recyclingquoten ist in vielen Abfallgruppen etwa, dass die Industrie schon beim Produkt- und Verpackungsdesign mitdenkt, wie man diese bestmöglich recyceln könnte.

Deponieverbot gefordert

Die Politik in Österreich müsse etwa „den angekündigten Einsatz für ein Verbot der Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle in Europa verstärken“, fordert Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe anlässlich der Studie. Überhaupt müsse die Kreislaufwirtschaft als Baustein des europäischen Green Deals weiter gestärkt werden.

Wobei es klimapolitisch freilich größere Baustellen gibt. Laut Climate Watch sind Abfälle in Europa für 0,23 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. In Europa ist Müll allerdings laut EU-Kommission die viertgrößte Quelle von Treibhausgasemissionen.

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