Mein Dienstag

Von Mickiewicz bis Hertmans: Frohe Kunde aus der Bücherwelt

Altes, prachtvoll neu verlegt, und Neues, mit Spannung erwartet: Lichtblicke für manische Leser.

Manchmal wenden sich die Dinge doch zum Guten. Zum Beispiel darf ich, in Ergänzung und teilweiser Korrektur meiner hierorts vor zwei Wochen geäußerten Klage, dass viele große Werke der osteuropäischen Literatur nicht im aktuellen Programm deutschsprachiger Verlage zu finden sind („Lasst uns bitte Reymont lesen, liebe Verlage!“, 11. Jänner), die frohe Botschaft verkünden, dass es eben doch eine aktuelle Ausgabe von Adam Mickiewicz' phänomenalem Versepos „Pan Tadeusz“ gibt. Der Alfred Kröner Verlag in Stuttgart hat ihn im Jahr 2018 nicht nur in einer sehr schönen neuen Ausgabe verlegt, nein, er hat ihn auch neu übersetzen lassen, und zwar vom 1929 in Prag geborenen Slawisten Walter Schamschula, der bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994 an der Universität Berkeley in Kalifornien lehrte. Mir war Schamschula bisher kein Begriff, schließlich bin ich, um mit Winnie-the-Pooh zu sprechen, nur ein Bär von sehr geringem Verstand, aber allein sein Wikipedia-Eintrag erschließt mir eine atemberaubende Geisteswelt. Kein Wunder, dass Professor Schamschula in den 1980er-Jahren auch an einem formidablen Projekt teilgenommen hat, das 2000 leider zu Ende ging, nämlich der bei Suhrkamp erschienenen, von der Bosch-Stiftung finanzierten „Polnischen Bibliothek“ unter Leitung des in Łódź geborenen Autors und Übersetzers Karl Dedecius.

Wie dem auch sei, auch an meinem Wohnsitz Brüssel erscheint aktuelle fabelhafte Literatur, und wenn ich diese Zeilen hier beendet und dem Lektorat in die strengen und fürsorglichen Hände übergeben habe, werde ich in meine Turnschuhe schlüpfen und lostigern, um mir den neuen Roman des großen Genter Schriftstellers Stefan Hertmans zu besorgen. Falls sie ihn nicht kennen, lesen sie „Krieg und Terpentin“. Im neuen Buch befasst er sich damit, dass er 20 Jahre lang im ehemaligen Haus eines flämischen SS-Mannes gewohnt hat. Wie sagte Faulkner? Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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